Wolf, Rudolf
Ernst, Dr.-Ing. e.h. |
W. stammte aus einer Professorenfamilie. Sein Vater war Lehrer für Mathematik, Geschichte und Griechisch am Domgymnasium in Magdeburg. Die Schulzeit von W. begann ebenfalls an dieser humanistischen Bildungseinrichtung, aber ein Kindheitserlebnis, eine Dampferfahrt auf der Elbe, weckte in ihm Interesse für den noch jungen Maschinenbau und wurde zum Grund für einen Schulwechsel zum Realgymnasium. 1847 schloß er die Schulzeit mit dem Zeugnis der mittleren Reife ab. Für einen zukünftigen Maschinenbauer stand die Praxis in einer Maschinenfabrik am Beginn der beruflichen Laufbahn. Er trat als Praktikant in die Maschinenfabrik der Vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschiffahrts-Compagnie in Buckau bei Magdeburg ein. Hier lernte W. den praktischen Maschinenbau von Grund auf kennen. Ab 1849 besuchte er für zwei Jahre die Provinzial-Gewerbeschule in Halberstadt. Anschließend begab er sich nach Berlin, um in der Maschinenfabrik Friedrich Wöhlert unter der persönlichen Anleitung des dort als Chefingenieur tätigen Hermann Gruson seine fachliche Ausbildung zu vervollständigen. 1854 verließ W. Berlin und nahm eine Stelle als Oberingenieur in der zwei Jahre zuvor gegründeten Maschinen- und Kesselfabrik Gotthilf Kühn in Stuttgart-Berg an. Das Haupterzeugnis waren Dampfmaschinen mit Leistungen von vier bis sechs PS, die als Antriebsaggregate für Werkzeugmaschinen dienten. Hier befaßte sich W. erstmals auch mit dem Bau von Lokomobilen. Diese ortsveränderlichen Dampfmaschinen waren bis dahin eine Domäne des Maschinenbaus in England, in Deutschland gab es erst wenige Firmen, die Lokomobilen herstellten. W. rechnete mit einem zunehmenden Bedarf und faßte den Entschluß, in Magdeburg eine Maschinenfabrik speziell für den Bau von Lokomobilen zu eröffnen. Anfang Februar 1862 verließ W. Stuttgart-Berg und kehrte nach Magdeburg zurück. Im zu dieser Zeit noch nicht in Magdeburg eingemeindeten Buckau erwarb er am 13.03.1862 für 2.900 Taler ein für die Anlage einer Maschinenfabrik geeignetes Grundstück. Nur fünf Tage später begann der Bau des Fabrikgebäudes, eines Wohnhauses und eines kleinen Verwaltungsbaus. Von der Firma G. Kühn in Stuttgart-Berg bezog W. eine 8-PS-Lokomobile, von verschiedenen Maschinenfabriken einige Werkzeugmaschinen, u. a. eine selbsttätige Zylinder- und Schraubendrehbank, eine Kurzhobelmaschine mit Parallelschraubstock und eine kleine handbetriebene Drehbank. Bereits am 16. Juni des gleichen Jahres eröffnete das Unternehmen mit sechs Mitarbeitern den Betrieb. W. bemühte sich erfolgreich um Aufträge für seine junge Firma. Die erste von W. gebaute Lokomobile war eine Einzylindermaschine für Sattdampf mit vier PS Leistung, sie besaß eine Planrostheizung und einen ausziehbaren Röhrenkessel mit 44 Heizröhren. Die konstruktive Ausführung der ersten Lokomobile gewährleistete einen vergleichsweise niedrigen Dampfverbrauch. Diese erste Lokomobile arbeitete zweieinhalb Jahrzehnte zur vollen Zufriedenheit des Betreibers. 1887 kaufte W. die Lokomobile Nr. 1 zurück. Sie diente weitere 15 Jahre als Antriebsmaschine in der Tischlerei der Maschinenfabrik. 1904 schenkte W. die Lokomobile Nr. 1 dem Deutschen Museum für Meisterwerke der Naturwissenschaften und Technik in München. Die Kessel für die ersten Lokomobilen bezog W. aus Köln-Deutz von der Firma Van der Zypern & Charlier. 1868 richtete er in seiner Maschinenfabrik eine eigene Kesselschmiede ein. Die Lokomobile wurde von W. technisch ständig verbessert und für immer größere Leistungen ausgelegt, wobei er größten Wert auf Qualität legte. 1874 erfolgte die Fertigstellung der 500sten und 1895 der 5.000sten Lokomobile. Die weiteren Fortschritte im Bau von Lokomobilen vollzogen sich auf den von W. geschaffenen Grundlagen. Außer Lokomobilen stellte die Maschinenfabrik von W. auch komplette Einrichtungen für Zuckerfabriken und Brauereien her sowie Anlagen für Tiefbohrungen, Kreiselpumpen u. a. Er achtete persönlich darauf, daß in den Werkstätten sorgfältig und genau gearbeitete wurde. Darauf bezog sich der häufig von ihm geäußerte Satz: “Sauber, nur sauber, ganz gleich was es kostet!” W. heiratete 1873 Ottilie Litzmann, 1874 und 1875 wurden seine beiden ältesten Söhne Rudolf und Max geboren, die später als Teilhaber in die Maschinenfabrik eintraten. Max W. wurde wie sein Vater Ingenieur, allerdings ohne diesem im fachlichen Vermögen und in den unternehmerischen Fähigkeiten gleichzukommen. W. war trotz seiner starken beruflichen Inanspruchnahme aktives Mitglied in verschiedenen Vereinen und Gremien. Besonders widmete er sich den Aufgaben des VDI, dessen Hauptverein ihn 1888 zu seinem Vorsitzenden wählte. Im gleichen Jahr erlitt er einen Schlaganfall, dessen Folgen seine Arbeitsfähigkeit weitgehend minderten. An der weiteren Entwicklung seines Unternehmens konnte er persönlich nur eingeschränkt teilnehmen. Er erlebte noch die betrieblichen Erweiterungen in Buckau und den Aufbau des Werkes in Salbke. W. erfuhr viele Ehrungen u. a. verlieh ihm die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg die Würde eines Dr.-Ing. e.h.
Literatur: Mitteldt Leb 1, 331–343 (*B); Conrad Matschoß, Maschinenfabrik R. W. Magdeburg-Buckau 1862–1912, 1912, 6–37; ders., Männer der Technik, 1925, 300.
Manfred Beckert