Grisebach, Hans
Otto Friedrich Julius |
Der Sohn des Botanik-Professors August G. studierte 1868–73 bei Conrad Wilhelm Hase am Polytechnikum Hannover (unterbrochen 1870/71 durch Kriegsdienst und Italienreise), absolvierte 1873–76 beim Dombaumeister Friedrich von Schmidt in Wien ein Aufbaustudium und arbeitete bei Johannes Otzen 1876–79 als Bauführer in Wiesbaden bei der Ausführung der Bergkirche und von Wohnhäusern. Bei der Renovierung des Münsters zu Hameln kam G. mit denkmal- pflegerischen Aufgaben in Berührung. 1879 unternahm er ausgedehnte Studienreisen nach Italien, Frankreich, Belgien, Holland, England, Spanien und Malta (später nach Tunesien und Rußland), ging 1880 auf den Rat Otzens nach Berlin und lehrte kurze Zeit an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Ab 1888 war G. Mitglied der Akademie der Künste. In Berlin entstanden nach seinen Entwürfen neben seinem eigenen Wohn- und Atelierhaus (1890/91, heute als “Villa G.” bekanntes Kunsthaus) bedeutende und stadtbildprägende Privat- und Geschäftshäuser, u. a. 1885 die Villa des Generaldirektors der Berliner Museum Wilhelm von Bode. 1887–90 erfolgte durch G. die Erweiterung und Aufstockung des nördlichen Wohnflügels am frühgotischen Kloster Hadmersleben in der Magdeburger Behörde, das seit 1885 vom Getreidezüchter Ferdinand Heine als Saatzuchtgut genutzt wurde. Mit großem Renaissancegiebel, Loggia, Turm und Stockwerkerker setzte er am 961 gegründeten Kloster-Komplex neue Akzente. 1890–91 entwarf er das sogenannte Kreishaus von Halberstadt. G. war fest in den Berliner Künstlerkreisen etabliert und zählte zu den geistreichsten und belesensten Persönlichkeiten der Stadt. Der Maler Max Liebermann war mit ihm befreundet. Obgleich bei Vertretern des gotischen Stils im Historismus ausgebildet (“Gotiker”), befaßte sich G. stärker mit der deutschen und niederländischen Ausbildung der Renaissance und setzte seine Erkenntnisse gekonnt beim Bau von Wohn- und Geschäftshäusern um. G. gilt als der beste Vertreter der Neorenaissance in Berlin.
Werke: neogotische Peterskirche (Frankfurt/Main), 1890/95; Atelier für Max Liebermann (Pariser Platz 7, Berlin), 1899; Hochbahnhof Schlesisches Tor (Berlin), 1899; Landsitz “Wiesenstein” für Gerhart Hauptmann (Agnetendorf/Riesengebirge), 1900.
Literatur: Thieme-Becker 15, 55; John Lochner-Griffith, Das Haus G. in der Fasanenstraße – die Villa in der Enge, in: Stadtvilla G. und Käthe Kollwitz-Mus. Dt. Bank Berlin AG, 1986, 13–27; Uwe Kieling, Berlin-Baumeister und Bauten, 1987.
Archivalien: Archiv Kloster Hadmersleben: Bauakten.
Bildquelle: Max Liebermann, Pastellzeichnung H. G. (Familienbesitz Manon G., Glanz-Ferndorf/Österreich).
Gerd Kley