Tschorn, Gerhart
geb. 25.11.1901 Ratibor/Oberschlesien,
gest. 15.01.1975 Magdeburg,
Oberingenieur, Werkstoffingenieur.

T. besuchte bis 1920 das Gymnasium in Ratibor und führte bis 1922 als Studienvorbereitung in Gießerei- und Maschinenbaubetrieben eine praktische Tätigkeit durch. 1922–25 absolvierte er ein Studium der Technologie des Eisenhüttenwesens an der Städtischen Gewerbe- und Handelshochschule, dem Friedrichs-Polytechnikum, in Köthen und arbeitete dort anschließend am Hüttenmännischen Institut als wissenschaftlicher Assistent. 1927–35 war T. Mitarbeiter in der Forschungsanstalt der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke in Dessau und übernahm 1935–45 die Leitung der Abteilung “Werkstoffprüfung und Abnahme” der Junkers-Werke Magdeburg. 1942 wurde T. zum Oberingenieur ernannt, war nach dem II. Weltkrieg ab 1947 Chefingenieur des sowjetischen Marineministeriums, Moskau, mit Sitz in Magdeburg und übernahm hier bis 1948 die Technische Leitung der Gießerei Vater. Besonders ideenreich und engagiert war T. als Leiter der Materialprüfanstalt der SAG bzw. im VEB Meßgeräte- und Armaturenwerk “Karl Marx”, Magdeburg (MAW) 1949–56 und der Chemisch- Physikalischen Materialprüfanstalt des VEB Schwermaschinenbau “Ernst Thälmann” Magdeburg 1957–66 tätig. Bei den Junkers-Werken führte T. das Farb-Penetrationsprüfverfahren (Öl-Kochprobe, Rot-Weiß-Prüfung) ein. Intensiv entwickelte er die Schleiffunkenprüfung als Schnellmethode zur Verwechslungsprüfung von Metallen, die er später in Magdeburg – international beachtet – durch umfangreiche farbfotografische Dokumentationen vervollständigte. T. führte zudem weitere Schnellprüfverfahren zur Identifizierung und Analyse von Stahlschmelzen durch 2-m-Gitter-Spektrographie sowie Vakuumspektrometrie ein. Pionierarbeit leistete er auf dem Gebieten der Ultraschallprüfung zur Gefügeidentifikation (1956) und der Gamma-Defektoskopie mit radioaktiven Isotopen (ab 1956). Im MAW realisierte T. 1956 die erste industrielle stationäre Prüfstation zur großtechnischen Nutzung des Isotops Co 60 zur Gußteilprüfung, die deutschlandweit Vorbild weiterer Prüfanlagen wurde. Später initiierte T. die ambulante Gamma-Defektoskopie, speziell an Schweißnähten, durch Ausbau eines Omnibusses zu einer fahrenden Prüfstation für Qualitätsprüfungen auf Montage-Baustellen. Weitere Arbeitsschwerpunkte T.s waren die Verbesserung von Schmelz-, Gieß-, Schmiede- und Wärmebehandlungstechnologien, u. a. mit dem Metallurgen Otto Brandau. T. war 1953 auf Initiative von Ernst Schiebold als Vertreter der Magdeburger Industrie an der Gründung des Instituts für Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung der Hochschule für Schwermaschinenbau Magdeburg beteiligt. Von 1958 bis 1968 war er berufenes Mitglied der Fakultät “Technologie des Maschinenbaus” und Lehrbeauftragter (Grauguß- und- Stahlgußstücke; Verarbeitungseigenschaften von Stahlguß) der Magdeburger Hochschule. In der Ingenieurorganisation Kammer der Technik (KdT) der DDR brachte T. seine umfangreichen Erfahrungen und Kenntnisse bei der Ausbildung von Industrie-Fachleuten für Gamma-Defektoskopie ein. Sein Wirken war auf die Entwicklung und industrielle Einführung moderner Werkstoffprüfverfahren und deren allseitige Popularisierung, besonders im Bereich der Gießerei- und Schmiedeindustrie, gerichtet.

Werke: Fachkunde für Werkstoffprüfer. Ein Lehrbuch für die Ausbildung von Lehrlingen (2 Bde), 1942–1953; Materialprüfung und Betriebsüberwachung in der Eisen- und Stahlgießerei, 1951; Praktische Berechnungen und Betriebskennzahlen für den Gießereimann, 1957; Schleiffunkenatlas für Stähle, 1961; Spark Atlas of Steels, 1963.

 Nachlaß: Bärbel T.-Eckardt, Loosdrecht/NL; Archiv Hans-Ulrich Richter, Teltow (privat).

Bildquelle: *ebd.

Hans-Ulrich Richter

letzte Änderung: 02.03.2005