Tack, Conrad |
T., Sohn des Seidenwarenfabrikanten Wilhelm T. in Krefeld, betrieb zunächst einen Seidenhandel in Brühl bei Köln. 1883 kam er als junger Unternehmer nach Burg, wo er günstigste Verhältnisse vorfand, um hier eine fabrikmäßige Schuh- und Stiefelproduktion aufzubauen. Die niedrigen Löhne in der zurückgehenden Tuchfabrikation, ein Stamm von angelernten Arbeitskräften und die guten Verkehrsanbindungen bildeten die Grundlage zum Aufbau einer Schuhfabrikation größeren Stils. Als Teilhaber für das Unternehmen wurden sein Bruder Jean T. sowie Wilhelm Dedermann gewonnen. In einer Scheune des Burger Tischlers Carl Ranisch begann T., mit 20 erfahrenen Schuhmachern und fünf Maschinen 40–50 Paar Schuhe täglich herzustellen. Die in dieser Größenordnung neuartige maschinelle Serienproduktion von Schuhen ist als Gründungsjahr der deutschen Schuhindustrie anzusehen. Dem Verkauf der Produkte in Burg und Umgebung folgte bald der Versand in alle Regionen des Deutschen Reiches. Ab 1886 beschäftigte T. erstmals in dieser Branche einen Handelsreisenden zur Erweiterung des Absatzgebietes. Aufgrund der starken Expansion des Betriebes ließ T. ab 1888 einen eigenen, vierteiligen Fabrikkomplex errichten (Fertigstellung 1889–1906). Zu diesem Zweck ging er mit dem Berliner Ledergroßhändler Wilhelm Krojanker (vgl. Hermann Krojanker) eine neue Kompagnie ein. Das Unternehmen firmierte ab 1888 unter Conrad Tack & Cie. und wurde als offene Handelsgesellschaft geführt. Bereits 1889 fertigte der Betrieb mit 180 Beschäftigten 500 Paar Schuhe täglich. Der innovative Unternehmer T. erreichte dies durch konsequenten Einsatz modernster Spezialmaschinen mit höchster technischer Leistungsfähigkeit, dem systematischen Aufbau neuartiger Vertriebsstrukturen und der Einstellung fähiger Leitungskräfte und geschulten Personals. 1892 eröffnete T. als erster Schuhfabrikant Deutschlands ein firmeneigenes Schuhgeschäft in Berlin, dem schnell weitere Verkaufsfilialen in ganz Deutschland folgten. Mit dem 1893 erfolgten Eintritt von Alfred Zweig als technischem Leiter und Teilhaber in die Firma wurde diese umgehend reorganisiert. Probleme mit der Belegschaft behob T. 1894 durch die Gründung eines Arbeitervereins und schuf u. a. eine Unterstützungs- und Hilfskrankenkasse. T. verlegte 1895 seinen Wohnsitz nach Berlin und zog sich ein Jahr später zugunsten seines bereits seit 1893 im Betrieb leitend tätigen Sohnes Ernst T. aus dem Unternehmen zurück. Dieser war seit 1895 Gesellschafter der Firma, die zu diesem Zeitpunkt über 25 Schuhgeschäfte in Deutschland verfügte und mit 400 Mitarbeitern 2.100 Paar Schuhe täglich produzierte. Als 1905 auch Ernst T. ausschied, besaß die Firma 90 Schuhgeschäfte, die Tagesproduktion betrug mit 1.050 Arbeitern bereits 4.000 Paar Schuhe. Die verbliebenen Gesellschafter Wilhelm Krojanker und Alfred Zweig übernahmen die Firmenbezeichnung Conrad Tack & Cie., die erst 1947 im Handelregister gelöscht wurde. Das Unternehmen, das 1912 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, produzierte schließlich drei Millionen. Paar Schuhe und Stiefel jährlich und unterhielt mehr als 130 eigene Fachgeschäfte, in denen “T. – der gute Schuh für alle” angeboten wurde. Die Burger Schuhfabrik gehörte bis 1938 zu den größten europäischen Unternehmungen der Branche, galt in ihrer Entwicklung als Musterbetrieb und war als größter Arbeitgeber für die Stadt Burg von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Nach der Demontage des Werkes 1945 wurde die Schuhproduktion seit 1946 in volkseigenen Betriebsstätten umfangreich weitergeführt und fand mit der Schließung der Burger Schuhfabrik 1992 ihr Ende.
Literatur: Fs. 100. Verkaufsstelle Conrad Tack & Cie., 1907; Gerhard Mittendorf, Die Ihlestadt war einmal die Schuhmetropole, in: Volksstimme Burg vom 28.11.1994 (B); Archiv Karin Hönicke, Burg (privat).
Archivalien: LHASA: Rep. I 63.
Bildquelle: *ebd.
Paul Nüchterlein