Jüngken, Johann Christian, Prof. Dr. med.
geb. 12.06.1793 Burg,
gest. 08.09.1875 Hannover,
Arzt, Geheimer Obermedizinalrat.

J. wurde als Sohn des Physikus Dr. Johann Christian J. im Haus Nr. 802, der heutigen Großen Brahmstraße 6 in Burg, geboren. Die Familie siedelte 1800 nach Magdeburg über. J. besuchte nach der Elementarschule ab 1807 das Domgymnasium. Hier hatte er Gelegenheit, sich mit den Naturwissenschaften näher bekannt und einführende medizinische Studien zu machen, indem er von dem aufgeklärten Domprediger Johann Friedrich Wilhelm Koch in Botanik, Anthropologie und Physiologie unterrichtet wurde und, da er entschlossen war, Medizin zu studieren, an dem Anatomisch- chirurgischen Auditorium bei Pierre Faucher bereits als Primaner Vorträge über die Knochenlehre hörte. Nach der Matura ging er 1812 nach Göttingen, wo er naturwissenschaftlich-medizinischen Vorlesungen und Übungen beiwohnte. Seine Lehrer erkannten hier schon sein Talent und Geschick bei Augenoperationen. Bei Kriegsausbruch 1815 trat J. in Berlin und Brüssel als Volontär-Lazarettchirurg in den militärärztlichen Dienst ein. Hierbei sammelte er Erfahrungen bei der Behandlung von Kriegsverletzungen und der sogenannten ägyptischen Augenentzündung, die unter den Soldaten sehr verbreitet war. Nach dem Krieg beendete er seine Studien in Berlin, u. a. auch an der Klinik von Wilhelm Hufeland. Seine besondere Vorliebe galt der Chirurgie und Augenheilkunde. Ende 1816 bekam J. die Stelle eines zweiten Assistenten an der Universitäts-Klinik und promovierte 1817 mit einer Dissertation über ein Instrument zur künstlichen Pupillenerweiterung. Nachdem er als Privatdozent an der Berliner Universität für das Fach Chirurgie und Augenheilkunde tätig war, wurde er 1825 zum außerordentlichen Professor an der Berliner medizinischen Fakultät ernannt. Vom Februar 1828 an wurde ihm die Leitung der neugegründeten Klinik für Augenheilkunde an der Charité übertragen, in der er 40 Jahre als Lehrer, Arzt und Operateur wirkte und wissenschaftlich veröffentlichte. J. wurde zum medizinischen Pionier, als ihm 1849 erstmalig in der Medizingeschichte bei einer 20 Jahre jungen Frau eine Staroperation unter Chloroform-Narkose gelang, die er vorher an einem starblinden Bären des Berliner Zoologischen Gartens im “Tierexperiment” versucht hatte. Wenn J. auch den Ruf eines geschickten Augenarztes und pflichteifrigen Lehrers genoß, so war sein Wirken in späteren Jahren ein Hindernis für eine neue Periode in der Augenheilkunde. 1868 legte J. alle seine Ämter nieder.

Werke: Das Coreoneion. Ein Beitrag zur künstlichen Pupillenbildung, 1818; Die Lehre von den Augenoperationen, 1829; Die Lehre von den Augenkrankheiten, 1832, 31842; Ueber die Augenkrankheit, welche in der Belgischen Armee herrscht, 1834; Die Augendiätetik oder die Kunst, das Sehvermögen zu erhalten und zu verbessern, 1870.

Literatur: ADB 14, 727–732; Max Lenz, Rede zur Jahrhundert-Feier der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, 1910, 44f.; J. von Michel, Augenheilkunde als Unterrichtsfach an der Universität Berlin in der Zeit von 1811–70, in: Berliner Klinische Wochenschrift vom 10.10.1910, 1891–1983 (B).

Bildquelle: *Sudhoffs Archiv. Zs. für Wissenschaftsgeschichte, Bd. 70, 1986, 164.

Paul Nüchterlein