Dietze, Friedrich Carl Nicolaus Constantin von, Prof. Dr. rer. pol.,
Dr. theol. h.c. et Dr. agr. h.c.
geb. 09.08.1891 Domäne Gottesgnaden/Kreis Calbe,
gest. 18.03.1973 Freiburg/Breisgau,
Agrarwissenschaftler, Volkswirt, Jurist.

D. war ein Enkel des Adolph v. D. Nach dem Abitur am Gymnasium Schulpforta bei Bad Kösen 1909 studierte er Rechts- und Staatswissenschaften in Cambridge, Tübingen und Halle. 1912 legte er die erste juristische Prüfung ab und wurde Referendar am Amtsgericht in Staßfurt, später in Breslau. Nach seiner Teilnahme am I. Weltkrieg als Ulanenleutnant und Flucht aus russischer Gefangenschaft legte er 1918 die Dolmetscher-Examina in Russisch, Englisch und Französisch ab. Der Wirtschaftswissenschaftler Max Sering ermunterte ihn, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. 1919 promovierte er in Breslau zum Dr. rer. pol. und trat danach in Serings Forschungsinstitut für Agrar- und Siedlungswesen in Berlin ein. Hier habilitierte er sich 1922. 1924 erhielt D. einen Lehrauftrag in Göttingen und ein Jahr später eine Berufung als Extra-Ordinarius nach Rostock. 1927 wechselte er als ordentlicher Professor nach Jena und nahm 1932 einen Ruf an die Berliner Universität an. 1933 wurde er nur zögernd als Professor in Berlin bestätigt. Er wohnte mit seiner Familie in Potsdam und wurde dort als lebendiges Glied der Heilig-Geist-Gemeinde auch bald in den Bruderrat der Bekennenden Kirche gewählt. Im November 1936 konnte er eine Zurückversetzung an die Universität Jena noch erfolgreich abwenden, nahm aber aufgrund des zunehmenden Einflusses nationalsozialistischer Kreise an der Universität Berlin zum Sommersemester 1937 einen Ruf an die Universität Freiburg/Breisgau an. Beim Besuch seiner in Potsdam gebliebenen Familie wurde D. im Juli 1937 wegen seiner Tätigkeit in der Bekennenden Kirche verhaftet, die Anklage wegen Hausfriedensbruch und Störung eines Gottesdienstes jedoch niedergeschlagen. An der Freiburger Universität war die Zusammenarbeit mit den beiden anderen Nationalökonomen Adolf Lampe und Walter Eucken besonders eng (“Freiburger Schule”). Hier bildete sich auch der “Freiburger Kreis”, zu dem bedeutende Persönlichkeiten wie Carl Goerdeler, Clemens Bauer, Otto Dibelius, Helmut Thielicke, Franz Böhm, Ernst Wolf und Gerhard Ritter gehörten. 1943 durch Dietrich Bonnhoeffer angeregt, wurde die geheime Denkschrift “Politische Gemeinschaftsordnung: ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit” verfaßt, die als Programmschrift der Bekennenden Kirche für eine ökumenische Weltkirchenkonferenz nach dem Kriege gedacht war. Die Mitarbeit an dieser Denkschrift und die Verbindung mit Bonnhoeffer und Goerdeler führten im September 1944 zu D.s Verhaftung und Anklagen wegen Hoch- und Landesverrats. Die Haftzeit verbrachte er in verschiedenen Gefängnissen und im Konzentrationslager Ravensbrück. Zuletzt war er im Gefängnis Lehrter Straße 3 in Berlin, wo die noch nicht in Plötzensee erschossenen politischen Gefangenen im Chaos der letzten Kriegstage freigelassen wurden. Zu Fuß kehrte er zunächst nach Barby zurück, konnte auch mit Schwierigkeiten über die Elbe gelangen. Am 17.06.1945 kam er wieder nach Freiburg, wo er sofort seine Lehrtätigkeit an der Universität aufnahm. Von 1946 bis 1949 war er deren Rektor, dann auch Direktor des Instituts für Agrarwissenschaften, das die Arbeiten der deutschen Gruppe der International Conference of Agricultural Economists fortführte. Wegen seines Einsatzes für christliche Lebensführung und Ethik in seiner Wissenschaft und für die Kirche ernannte ihn 1948 die Theologische Fakultät in Heidelberg zum Ehrendoktor der Theologie, und die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland bestimmte ihn von 1955 bis 1961 zu ihrem Präses. Seit 1950 war er Mitglied des Beirates beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 1958 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz, 1961 das Bundesverdienstkreuz mit Stern. 1960 ernannte ihn die Landwirtschaftliche Fakultät in Bonn zum Dr. agr. h.c. Bis zu seinem Tode war D. Vorsitzender der von ihm gegründeten Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie.

Werke: Beurteilung der Stolypin’schen Agrarreform und Feldgemeinschaft, 1920; Die ostdeutschen Landarbeiterverhältnisse seit der Revolution, 1922; Die deutsche Landwirtschaft und die neue Handelspolitik, 1925; Deutschlands gegenwärtige Agrarkrisis, 1930; (Mitarbeiter) Wörterbuch der Volkswirtschaft, 1930/32; Landwirtschaft und Wettbewerbsordnung, 1942; Gedanken und Bekenntnisse eines Agrarpolitikers. Gesammelte Aufsätze, 1962; Grundzüge der Agrarpolitik, 1967; Pflicht im Widerstreit der Verpflichtungen, 1980.

Literatur: DBE 2, 541; Hans Herbert Götz, C. v.D. zum 100. Geburtstag in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 48, Juni 1991; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.03.1973; dies. vom 08.08.1991; Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 09.08.1991; Hochschulkurier der Universität München, Nr. 23, Juli 1993.

Bildquelle: *Burkart von Dietze, Barby (privat).

Burkart von Dietze

geändert: 09.06.2004