Berger, Gustav Oscar, Prof. Dr. phil.
geb. 10.04.1862 Torgau,
gest. 18.09.1934 Mühlhausen,
Turner, Gymnasial- und Turnlehrer, Oberstudiendirektor,
Funktionär der deutschen Turnbewegung.

Schon als Schüler war B. eifriger Turner, Schwimmer und seit 1877 Vorturner am Gymnasium in Sangerhausen. Mit 18 Jahren bezog er die Universität Leipzig, um Mathematik und Physik zu studieren. Als Student (bis 1885) war er Mitglied des Allgemeinen Turnvereins zu Leipzig, zugleich auch Mitglied und im Winter 1881/82 Vorsitzender des Akademie Turnvereins. B. gehörte zu den Leipziger Studenten, die ihre Begeisterung für das Turnen Justus Carl Lion, einem der großen sächsischen Turnpioniere, verdanken. Auf Lions Veranlassung legte B. 1884 an der Turnlehrer-Bildungsanstalt in Dresden die Turnlehrerprüfung ab. Nach dem beendeten Lehrerstudium und der Promotion zum Dr. phil. begann er Ostern 1885 seine Lehrertätigkeit als Probekandidat am Gymnasium in Mühlhausen. Hier heiratete er später die Tochter des Bürgermeisters. Nach seinem Probejahr fand er 1887 eine feste Anstellung am neugegründeten König Wilhelm-Gymnasium in Magdeburg. Seit 1888 Oberlehrer, spätestens seit 1893 Hauptturnlehrer und auch langjähriger Vorsitzender des Magdeburger Lehrerturnvereins, war B. der Turnführer Magdeburgs. Nach zweijähriger Mitgliedschaft im Magdeburger Männer- Turnverein von 1848 wurde er zuerst Turnwart, später Oberturnwart und führte 1897–1912 den Turnverein als 1. Vorsitzender. Ebenfalls bis 1912 leitete er als Obmann die bekannte Vorturner-Vereinigung von 1877, der die Turnvereine der großen Städte Nord- und Mitteldeutschlands angehörten. B. zählte zu den Initiatoren der Spielbewegung in Magdeburg (Christian Kohlrausch, Carl Dankworth). 1888 verbesserte er das Schulturnen seines Gymnasiums, indem er Volks- und Jugendspiele im Freien einführte. Als erster regte er 1891 die Einrichtung öffentlicher Volksspiele für Schülerinnen und Schüler sowie für interessierte Erwachsene an. 1892 war er Gründungsmitglied des Magdeburger Volksspielausschusses. Auf Grund seiner mathematischen und physikalischen Kenntnisse vervollkommnete er durch theoretisch fundierte Veröffentlichungen die Hilfeleistungen beim Gerätturnen. Der lose Zusammenschluß aller (bürgerlichen) Turnvereine der Stadt 1904 zur Magdeburger Turnvereinigung war das Ergebnis seiner Bemühungen. Als Vorstandsvorsitzender der Vereinigung gehörte B. zu den Interessenvertretern der Turner gegenüber Staat und Kommune. Zudem organisierte die Vereinigung jährlich Lehrgänge zur Ausbildung von Turnwarten. 1908 wählten die Vereine des Kreises IIIc (Provinz Sachsen und Anhalt) B. zu ihrem Kreisvertreter bei der Deutschen Turnerschaft (D. T.), der er bis 1920 war. 1909 übernahm er das Amt eines “Pflegers gesunder Leibesübungen” für den mittleren Teil des Regierungsbezirks Magdeburg. Ebenso engagierte sich B. für das Magdeburger Frauenturnen. Daneben fand er noch Zeit, sich eifrig für die Flottenrüstungsbestrebungen des 1898 gegründeten Deutschen Flottenvereins einzusetzen. Nachdem B. 1912 zum Direktor des Realgymnasiums in Aschersleben berufen worden war, verließ er (als Ehrenturnwart) Magdeburg für immer. Seine führende Stellung in der Magdeburger Turnbewegung übernahm Dankworth. In Aschersleben erteilte B. nicht nur den Turnunterricht in den Oberklassen selbst, sondern turnte zwölf Jahre lang (als Turnwart seit 1916) aktiv im dortigen Männer-Turnverein von 1877. Als Offizier nahm er am I. Weltkrieg drei Jahre lang als Bataillonsführer teil. Auf dem 1. Deutschen Turntag im Oktober 1919 in Erfurt wurde B. zum 1. Vorsitzenden der D. T. gewählt. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Vereinsturnen in Deutschland zu einer modern strukturierten und demokratisch geführten Turn- und Sportbewegung. Erfolgreich setzte er sich dafür ein, daß die Turnvereine damals nicht in die Sportfachverbände aufgegangen sind. So ist mit B.s Namen die 1922 beschlossene “reinliche Scheidung”, das heißt die organisatorische Trennung von Turnen und Sport, verbunden. Die D. T. als Millionen-Mitglieder-Verband hatte sportpolitisch an ihren traditionellen vaterländischen, bisweilen nationalistischen Erziehungszielen festgehalten und durchweg bis 1931 eigene nationale Meisterschaften in den Sportarten organisiert. 1924 war B.s leitende Tätigkeit im Verband ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen. Er ließ sich von seinem Amt als Oberstudiendirektor in Aschersleben befreien, um nach Berlin-Charlottenburg zu ziehen, wo die Geschäftsstelle der D. T. ihren Sitz hatte. B. vertrat diese in zahlreichen Verbänden und Behörden, z. B. als Mitglied des Reichsbeirates für Leibesübungen, als 2. Vorsitzender des Reichsausschusses für Leibesübungen seit 1926 und als Beirat des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Auf dem 20. Deutschen Turntag in Berlin 1929 kandidierte der nationalliberal gesinnte, stets freundliche, hilfsbereite und volkstümliche B. nicht mehr für den Vorsitz. Er wählte Mühlhausen, den Heimatort seiner Frau, als Ruhesitz. Hier trat er der Turngemeinde 1849 bei, um regelmäßig in einer Männerabteilung zu turnen.

Werke: Die Hilfestellung beim Gerätturnen. Versuch einer Theorie, 1897/98; Zur Entwicklung des Turnens in Magdeburg. Festschrift zum 50. Stiftungsfeste des Männer-Turnvereins zu Magdeburg, 1898.

Literatur: Willy Grozny (Hg.), Deutscher Biographischer Index, Bd. 1, 21998, 251; Rudolf Gasch (Hg.), Hdb. des gesamten Turnwesens, Bd. 1, 21928, 65f.; Dr. B. zum Abschied, in: Deutsche Turn-Zeitung 74, Nr. 43, 1929, 853 (B); Arno Kunath, Zu O. B.s 70. Geburtstag!, in: ebenda 77, Nr. 14, 1932, 313f.; Edmund Neuendorff, Die deutsche Turnerschaft 1860–1936, 1936, 174–228.

Bildquellen: Franz-Paul Wiedemann (Hg.), Jb. der Turnkunst. Jb. der Deutschen Turnerschaft 24, 1930, 5; *Fritz Merk (Hg.), Deutscher Sport, Bd. 1, 1926, 56/57.

Michael Thomas

letzte Änderung: 01.02.2005