Reuter, Ernst Rudolf Johannes, Prof. Dr. h.c.
geb. 29.07.1889 Apenrade/Schleswig-Holstein,
gest. 29.09.1953 Berlin,
Kommunalpolitiker, Oberbürgermeister in Magdeburg.

R. war der Sohn eines Kapitäns und Direktors einer Navigationsschule. Nach der Volksschule und dem Gymnasium in Leer/ Ostfriesland studierte er Germanistik, Geschichte, Geographie und Volkswirtschaft in Marburg, München und Münster. Als Kriegsteilnehmer geriet er schwer verwundet in russische Gefangenschaft. Er schloß sich den Bolschewisten an und wurde von Lenin von Mai bis Ende 1918 als Volkskommissar in die Wolga-Republik nach Saratow entsandt. R., der bereits 1912 der SPD beigetreten war, wurde 1921 Redakteur des Vorwärts in Berlin. 1926 übernahm er im Berliner Magistrat das Dezernat Verkehrs- und Versorgungsbetriebe und wurde einer der Schöpfer der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG). 1931 wählte ihn Magdeburg in Nachfolge des Sozialdemokraten Hermann Beims zum Oberbürgermeister und 1932 in den Reichstag. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten aller Ämter enthoben und kam ins Konzentrationslager Lichtenburg bei Torgau. 1935 ging R. durch Vermittlung von Fritz Baade als Berater des Wirtschaftsministeriums in die Türkei, er war hier u. a. gleichzeitig Professor für Städtebau an der Hochschule für Politische Wissenschaften. Nach dem Ende des II. Weltkrieges kehrte R. nach Deutschland zurück und übernahm wieder das Berliner Verkehrs-Dezernat. Im Juni 1947 wurde er zum Oberbürgermeister von Berlin gewählt, von der sowjetischen Militärregierung jedoch abgelehnt. Im Dezember 1948 wurde er im Westteil der Stadt erneut zum Oberbürgermeister (ab 1950 Regierender Bürgermeister) gewählt. Bis zu seinem Tode übte er dieses Amt aus. In den kritischen Tagen der “Blockade” stand er an der Spitze der Westberliner Bevölkerung und stärkte durch seine Unerschrockenheit den Durchhaltewillen. Auch in den USA warb er um Unterstützung für das schwer zerstörte Berlin. 1949 wurde er durch die Freie Universität Berlin mit dem Dr. h.c. geehrt. R.s Tätigkeit als Oberbürgermeister in Magdeburg war geprägt durch eine erfolgreiche Entwicklung der Stadt trotz einer weltweiten Wirtschaftskrise. So setzte er der Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (z. B. den Bau der Gleisschleife der Straßenbahnlinie 1 in Sudenburg, den Beginn der Kanalisation in Rothensee oder die gärtnerische Neugestaltung verschiedener alter Friedhöfe), Selbsthilfesiedlungen für Erwerbslose (z. B. die Siedlungen Lemsdorf I und II und in Birkenweiler/Milchweg) sowie die Gründung der Winternothilfe in Magdeburg 1931 entgegen. Er vollendete den Bau des Wasserwerks in der Letzlinger Heide und organisierte Messen und Ausstellungen in Magdeburg.

Werke: Hans E. Hirschfeld/Hans J. Reichhardt (Hg.), E. R. Schriften, Reden (4 Bde), 1972–1975.

Nachlaß: Landesarchiv Berlin.

Literatur: Bio Hdb Emigr 1, 600; Willy Brandt/Richard Löwenthal, E. R., ein Leben für die Freiheit. Eine politische Biographie, 1957; Wolfgang Ribbe (Hg.), Stadtoberhäupter. Biographien Berliner Bürgermeister im 19. und 20. Jahrhundert, 1992, 420–442; E. R. Oberbürgermeister von Magdeburg, hg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, Büro Magdeburg, 1992; Ingelore Buchholz/Maren Ballerstedt/Konstanze Buchholz, Magdeburger Bürgermeister, o. J., 40–43 (B). 

Archivalien: Munzinger Archiv/Internationales Biographisches Archiv, Ravensburg.

Bildquelle: *StadtA Magdeburg.

Ingrun Drechsler

letzte Änderung: 03.03.2005