Hörsing, Friedrich Otto
geb. 18.07.1874 Groß-Schillningken/Ostpreußen,
gest. 16.08.1937 Berlin,
Schmied, Politiker, Oberpräsident.

Der Sohn eines Kleinbauern ging bei einem Kesselschmied in die Lehre und führte anschließend als Schmied, Wirt, Händler, Kaufmann und Arbeiter ein bewegtes berufliches Leben. Er war in Deutschland, Österreich-Ungarn und in der Schweiz tätig, war Heizer auf Ozeanschiffen, besuchte drei Semester lang ein privates Technikum in Kiel. Seit 1905 Sekretär des Deutschen Metallarbeiterverbandes für Oberschlesien, war er 1906–14 SPD-Bezirkssekretär für den Regierungsbezirk Oppeln/ Oberschlesien. 1914–18 Frontsoldat und Leiter eines Gefangenenlagers, wurde H. nach Kriegsende Vorsitzender des Zentralen Arbeiter- und Soldatenrates für Oberschlesien, später preußischer Staatskommissar für Oberschlesien und seit Sommer 1919 Reichskommissar für Schlesien und Posen. 1919 war er Mitglied der deutschen Nationalversammlung. 1920 von der Preußischen Staatsregierung zum Oberpräsidenten der Provinz Sachsen ernannt, verfolgte H. mit Sorge die Bedrohung der Republik durch den Rechts- und Linksextremismus. Er entschloß sich z. B. im März 1921, gegen die Aufständischen im mitteldeutschen Industriegebiet Polizei anzufordern. Er mußte an seinem Amtssitz Magdeburg die Aufmärsche des republikfeindlichen Stahlhelm erleben. H. wurde zum Initiator des Aufbaus einer republikanischen Schutzwehr. Er gründete mit Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten am 22.02.1924 in der Magdeburger Gaststätte Kloster-Berge-Garten das Reichsbanner Schwarz Rot Gold, um die Republik gegen alle Angriffe von rechts und links wirksam verteidigen zu können. Ein Jahr danach fand in Magdeburg mit 130.000 Teilnehmern die Bundesgründungsfeier statt. H. wurde Vorsitzender, Sitz des Vorstandes war Magdeburg. 1925 hatte das Reichsbanner drei Millionen Mitglieder. H. konnte in den folgenden Jahren seine Aufgaben als Oberpräsident und “Reichsbanner-General” immer weniger in Einklang bringen. Als er auf Reichsbannerkundgebungen die deutsch-nationalen Minister der Reichsregierung als Republikfeinde bezeichnete, stellte ihm die Preußische Regierung anheim, den Staatsdienst zu quittieren. Im Juli 1927 schied er als Oberpräsident aus. Sein selbstherrliches, undiplomatisches Auftreten, aber auch die von ihm unter dem Eindruck des Aufkommens der nationalsozialistischen Bewegung verlangte aktive Abwehr der Republikgegner trieben ihn in die Isolation. Nachdem der sozial engagierte H. 1932 eine neue Partei “links von der SPD” gründen wollte, wurde er aus der SPD und dem Reichsbanner ausgeschlossen. Das nationalsozialistische Regime entließ den im “zeitweiligen Ruhestand” lebenden Oberpräsidenten fristlos und stellte die Zahlung aller Bezüge ein. Völlig verarmt ist H. in Berlin gestorben.

Literatur: Franz Osterroth, Biographisches Lexikon des Sozialismus, 1960, 138–140; Wolfgang Benz/Hermann Graml (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, 1988, 150f.; Helga Gotschlich, Zwischen Kampf und Kapitulation. Zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz Rot Gold, 1987, 15–18, 24–26 u.ö.

Bildquellen: Reichshdb 1, 804; Foto Bundesvorstand Reichsbanner, in: Illustrierte Reichsbanner Zeitung 1. Nov. 1924; *Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat): Lithographie von Bruno Beye.

Manfred Wille

letzte Änderung: 09.02.2005