Grotkass, Rudolf (Rudi) Edmund
geb. 25.09.1886 Dohnan/Ungarn (jetzt Slowakei),
 gest. 10.01.1954 Tajschet/Sowjetunion (Lagerkomplex am Baikalsee),
 Kaufmann, Sachverständiger für Volkswirtschaft, Historiker, Dolmetscher.

G. war Sohn des seit etwa 1883 in Magdeburg ansässigen Kaufmannes für Zucker und Rübensaatgut Ernst G., eines Schwagers des Magdeburger Kaufmanns und Verlegers Otto Licht. Er besuchte Schulen in Brünn, Wittenberge und Dessau. 1912–18 war er auf dem landwirtschaftlichen Grundbesitz der Familie in Ungarn tätig, daran schlossen sich das Volontariat bei einer Rübenzuchtstation und ein Studium der Chemie in Berlin an. Sprachstudien in Frankreich folgten. G. arbeitete in Laboratorien von Zuckerfabriken in Deutschland und den USA und beschäftigte sich mit dem Reisanbau in Texas. Während seines Aufenthaltes in den USA erwarb er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Seit 1922 wohnte G. in Magdeburg, arbeitete dort als Fachschriftsteller, Statistiker und Sachverständiger für die Zuckerindustrie und wurde zu einer stadtbekannten Persönlichkeit. 1950 wurde er in Magdeburg verhaftet und vom sowjetischen Militärtribunal in Halle wegen angeblicher Spionage zu 25 Jahren Haft verurteilt. Nach Inhaftierung in Bautzen wurde er nach Tajschet, einem Lagerkomplex am Baikalsee, verbracht, wo er 1954 verstarb. G. leistete einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der Geschichte der deutschen Zuckerindustrie, besonders zur Biographie von Franz Carl Achard. In seinem 1927 in Magdeburg erschienenen Buch “Die Zuckerfabrikation im Magdeburgischen, ihre Geschichte vor und während der Kontinentalsperre sowie weiter bis zum Jahre 1827, dem Beginn der neuen Periode” wurde erstmals eine Analyse der Anfang des 19. Jahrhunderts im Stadt- gebiet von Magdeburg und dem angrenzenden Raum vorhandenen Rübenzuckerfabriken vorgenommen. G. unterhielt Beziehungen zu Zuckerexperten der ganzen Welt, besaß eine umfangreiche Sammlung musealer Güter zur Rübenzuckerfabrikation und eine Zuckerfachbibliothek von 2.500 Titeln. Der Nachlaß gilt als verschollen.

Werke: s.o.; Franz Carl Achards Beziehungen zum Auslande, seine Anhänger, seine Gegner, in: Centralblatt für die Zuckerindustrie 37, 1929, 585–593, 1381f., 1410–1412, 1439f., 1470; ebd. 38, 1930, 45f., 78–80, 109f., 138f., 170f.; Zu den Bestechungsversuchen an Achard, in: Die Deutsche Zuckerindustrie 58, 1933, 36f.; Denkschrift über die Erringung der deutschen Nahrungsfreiheit unter besonderer Berücksichtigung der Aufgaben der Zuckerwirtschaft, 1936.

Literatur: Wer ist’s 10, 1935; Erhard Junghans/Guntwin Bruhns, Auf den Spuren des verschollenen Magdeburger Zuckerhistorikers R. E. G. in: Zuckerindustrie 121, 1996, 658f.; ebd. 124, 1999, 729.

Bildquelle: *Archiv Schwimmsport-Club “Hellas” Magdeburg (Gruppenbild).

Erhard Junghans