Höltermann, Karl
geb. 20.03.1894 Pirmasens,
gest. 03.03.1955 London,
Schriftsetzer, Journalist.

Der Sohn eines westfälischen Schuhmachers und Gewerkschaftssekretärs wuchs in Nürnberg auf, trat früh der sozialistischen Arbeiterjugend und der Gewerkschaft bei und ging 1912 auf Wanderschaft. Als Soldat im I. Weltkrieg erlitt er eine Gasvergiftung, wurde im Sommer 1919 als Unteroffizier demobilisiert. Zunächst Volontär bei der Fränkischen Tagespost, dann Redakteur beim Sozialdemokratischen Pressedienst in Berlin, wurde er 1920 von der Magdeburger Volksstimme zum politischen Redakteur berufen. Nach dem Ausscheiden Paul Baders übernahm er die Chefredaktion. Nachdem er bereits 1922/23 mit führenden Magdeburger Sozialdemokraten die Republikanische Notwehr gegründet hatte, war er die treibende Kraft bei der Gründung der Republikschutzorganisation Reichsbanner Schwarz Rot Gold, deren stellvertretender Bundesvorsitzender, geistiger Motor und einfallsreicher Propagandist er wurde. Die in Magdeburg erscheinende Bundeszeitung Das Reichsbanner leitete er ehrenamtlich. Er gehörte der Wehrkommission der SPD an, die die Richtlinien zur Wehrpolitik für den Parteitag 1929 in Magdeburg erarbeitete. Nach dem Schock der Septemberwahl von 1930, die 107 NSDAP-Abgeordnete in den Reichstag brachte, schuf er die paramilitärischen Kader der Schutzformationen, kurz Schufo genannt. Ab Dezember 1931 fungierte er als kommissarischer Vorsitzender, ab April 1932 als Bundesvorsitzender des Reichsbanners. In dieser Zeit organisierte er das republikanische Schutzkartell “Eiserne Front” und zog 1932 in den Reichstag ein. Mit seiner Absicht, die Absetzung der preußischen Regierung am 20. Juli 1932 mit Hilfe der Preußischen Polizei und dem ihr als Hilfstruppe unterstellten Reichsbanner rückgängig zu machen, drang er in der Krisensitzung von SPD- und Gewerkschaftsführung nicht durch. Die letzte Bundesgeneralversammlung des Reichsbanners im Februar 1933 wählte H. einstimmig zum Vorsitzenden. Vor dem Berliner Schloß hielt er seine letzte große Rede, die in der Verheißung gipfelte: “Nach Hitler kommen wir!”. Er wurde in den nächsten Monaten der von SA und SS meistgesuchte Mann, so daß er im Mai 1933 emigrieren mußte. Über die Niederlande und das Saargebiet ging er 1935 nach London. Vergeblich bemühte er sich in Distanz zum SPD-Exilvorstand um die Reorganisation des Reichsbanners. Über seine Verbindung zu Labour-Führern nahm er Einfluß auf die britische Deutschland-Politik. Seine verschiedenen Versuche, eine Gegenposition zum Exil-Vorstand der SPD aufzubauen, blieben erfolglos, so daß er sich 1942 aus der Exilpolitik zurückzog. Nach 1945 besuchte er einige Male Westdeutschland, kehrte jedoch nicht dauerhaft zurück.

Literatur: Reichstags Hdb 1933, 161; Bio Hdb Emigr 1, 306f.; Franz Osterroth, Biographisches Lexikon des Sozialismus, 1960, 138–140 (B); Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.), Lexikon des deutschen Widerstandes, 1994, 360.

 Bildquelle: *Sammlung Beatrix Herlemann, Hannover (privat).

Beatrix Herlemann

letzte Änderung: 09.02.2005