Noeldechen, Friedrich
Wilhelm Carl Detlef, Dr. theol.
h.c. |
Der Sohn des Berliner Schiffahrts-Direktors Wilhelm N. absolvierte das Gymnasium Zum Grauen Kloster in Berlin, studierte 1824–27 Jurisprudenz an den Universitäten Berlin und Göttingen und begann anschließend beim Stadt- und Kammergericht in Berlin seine juristische Laufbahn. Nach Tätigkeiten am Land- und Stadtgericht Magdeburg (1833-34), am Oberlandesgericht in Breslau (1834-35) und am Land- und Stadtgericht in Glogau/Niederschlesien (1835-38) avancierte er zum Direktor des Kreisgerichts in Aschersleben, übernahm 1847–49 in gleicher Eigenschaft das Kreisgericht in Wanzleben sowie 1849–53 das Kreisgericht in Stralsund. 1853 berief ihn der preußische Minister für geistliche pp. Angelegenheiten Karl Otto von Raumer als weltlichen Konsistorialdirektor an das Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen nach Magdeburg. N., der die Führung der Präsidialgeschäfte vom Oberpräsidenten der Provinz Hartmann Erasmus von Witzleben übernahm, arbeitete mit weitreichenden Kompetenzen auf der Basis einer eigens vom Ministerium erlassenen, nicht verfassungskonformen Dienstinstruktion “mit und neben” dem amtierenden Generalsuperintendenten Johann Friedrich Moeller. In einem Rundschreiben an die Geistlichen der Kirchenprovinz bei seinem Amtsantritt formulierte N. als Hauptaufgabe, die evangelische Kirche habe bei innerer und äußerer Bedrohung “nicht allein sich selbst fester zu gründen, sondern … neu zu beleben und zu festigen, was ein Jahrhundert aufzulösen und zu zerstören gesucht, christliches Leben zurückzugeben unserm Volke, lebendiges, innerlichstes, gesundes Leben im Glauben und in der Liebe, in Zucht und Sitte”. Mit seiner energischen Amtsführung und Neuordnung der innerkirchlichen Angelegenheiten (vgl. u. a. seine Verfügung über Kirchenzucht vom 7. Dezember 1857) hatte er maßgeblichen Anteil an der Durchsetzung konservativer und restaurativer Bestrebungen in der evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. N. trat in der Zeit nach der Revolution von 1848/49 und den vielfältigen Verfassungsumbrüchen als energischer Gegner der rationalistisch ausgerichteten Pfarrerschaft und der “Lichtfreunde” auf. Er verschaffte den Geistlichen wieder größeren Einfluß auf das Vormundschaftswesen, erweiterte die Befugnisse der Superintendenten und besetzte die Ephorien mit entschiedenen Befürwortern der Kirchenunion. Erst 1858 erfolgte mit der Einführung des neuen Generalsuperintendenten Johannes Lehnerdt unter gleichzeitiger Belassung Möllers als erstem Prediger am Magdeburger Dom die Rückkehr zur früheren, verfassungsmäßigen Ordnung. N., der auch Domherr des Kreuzstifts von Zeitz war, wurde 1865 zum Magdeburger Konsistorialpräsidenten ernannt und führte dieses Amt bis 1882. Die Universität Halle-Wittenberg verlieh ihm 1867 die theologische Ehrendoktorwürde. 1850-55 vertrat N. den Wahlkreis Magdeburg im preußischen Abgeordnetenhaus und gehörte dort offenbar der konservativen Gruppierung um Adolf Heinrich Graf Arnim-Boitzenburg und Ernst Albert von Bodelschwingh an. In seinen späteren Jahren fand N. auch Gelegenheit, sich im regionalen Vereinswesen zu engagieren, u. a. als stellvertretender Vorsitzender des Provinzialhilfsvereins für verwundete und erkrankte Krieger und als Mitglied des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstiftes Magdeburg, den er 1874–79 als Vorsitzender leitete.
Archivalien: AKPS: Rep. A, Spec. P, NK 5 (PA); Rep. A Gen., Nr. 735a.
Literatur: Lina Walther, Erinnerungen aus Wilhelm Appuhns Leben. Aus seinen Aufzeichnungen zusammengestellt, 1885; Bernd Haunfelder (Hg.), Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, 1994, 185.
Guido Heinrich
letzte Änderung: 26.09.2005