Winstrup, Ole Johansen |
Der Sohn eines Kleinbauern besuchte die Dorfschule, wo er sich Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen aneignete. Erst als der dänische Staat die Leibeigenschaft aufhob, war es dem technisch begabten W. möglich, nach Kopenhagen zu gehen, wo er 1797–1804 eine Lehre als Zimmermann, Schmied und Mühlenbauer absolvierte. 1804–11 leistete er seinen Militärdienst und besuchte während dieser Zeit mathematische und technische Seminare an der Universität in Kopenhagen. Dort setzte er sich mit Robert Fultons Konstruktion eines Unterseebootes auseinander und erwarb sich erste Anerkennung durch den Bau eines eigenen Modells. Zugleich erhielt er Zugang zu Kopenhagener Handwerkstätten, die von der Regierung zur Entwicklung verbesserter landwirtschaftlicher Geräte eingerichtet worden waren. 1811 erwarb W. mit staatlicher Unterstützung das Gut Mariaslyst außerhalb Kopenhagens und gründete dort die erste dänische Fabrik für landwirtschaftliche Geräte und Maschinen (zunächst Pflüge, Dresch- und Worfelmaschinen), der auch eine Eisengießerei angegliedert war. Um 1820 beschäftigte er 20 fachkundige Arbeiter und begann unter Nutzung der Erfindungen des Amerikaners Oliver Evans mit der Produktion technisch verbesserter Windmühlen. Sein Erfolg wurde jedoch bald durch Mißgunst, den Widerstand der Handwerkerzünfte und die wirtschaftliche Regression nach dem Ende der napoleonischen Kriege stark beeinträchtigt. In dieser Situation veranlaßte ihn der frische Ruhm der Maschinenfabrik des Johann Gottlob Nathusius in Hundisburg, wo unter der Leitung des Mechanikers Neubauer versucht wurde, Dampfmaschinen zu bauen, studienhalber dorthin zu reisen. Nathusius bot dem ihm sympathischen W. die inzwischen stilliegende Maschinenfabrik zu vorteilhaften Kaufbedingungen an und W. etablierte sich hier 1823 mit einem Produktionsprogramm, das er schon früher in Dänemark entwickelt hatte und auch in seinem Stammbetrieb weiter verfolgte. In dieser Zeit baute W. die erste dänische Dampfmaschine (zwei PS) für einen Kopenhagener Bierbrauer, der er weitere folgen ließ und damit seine wirtschaftliche Position entscheidend stärkte. In Hundisburg machte W. durch eine Vielzahl neuer Ackerwerkzeuge und Landmaschinen eigener Produktion auf sich aufmerksam, so durch “Winstrups Pflug”, “Winsrups Räderpflug”, durch Nachbauten englischer und amerikanischer Pflüge, Untergrundpflüge und Säemaschinen, Getreide-Reinigungs- und Flachsbrechmaschinen sowie durch Windmühlen, Pumpmühlen, Malz- und Korndarren u. v. a. Sein “Dynamometer” war noch in der Zeit um den I. Weltkrieg gebräuchlich. W. konnte sich jedoch mit seiner Produktpalette auf dem mitteldeutschen Markt nicht entscheidend durchsetzen, was nicht allein eine Frage der Preise war (vgl. von Nathusius, 1915, 216). Die Vielzahl seiner Produkte entsprach den Erwartungen der Zeit, in welcher die Mechanisierung der Landwirtschaft ihre ersten Anfänge erlebte, doch nicht zuletzt an dieser Vielfältigkeit scheiterte der erste profilierte Landmaschinenbauer der Region. Als Hans Christian Ørsted 1829 in Kopenhagen ein Polytechnikum gründete, wurde W. für die Leitung der technischen Werkstätten ausersehen. Er transferierte den modernen Werkzeugbestand von Hundisburg nach Kopenhagen und begann dort mit der Herstellung von Hydraulikpumpen und anderen innovativen technischen Geräten. Nach einem Streit mit Ørsted mußte er das Polytechnikum verlassen und lebte später als Mühlenbesitzer auf seinem Gut Mariaslyst. Unter W.s Vorschlägen für verschiedene technische Verbesserungen ist auch eine – letztlich nicht in die Praxis umgesetzte – Drucktechnik für fälschungssichere Banknoten überliefert. Eine Seite dieser Noten zierte ein Stich von Hundisburg.
Werke: Afbildninger af de bedste og nyeste Agerdyrkningsredskaber (8 Hefte), 1822–25; deutsche Ausgabe: Abb. der neuesten und besten Ackerwerkzeuge, nebst Beschreibungen, 1824.
Literatur: Neues Jb. der Landwirthschaft, Bd. 4, St. 2, 1826, 40; Johann Carl Fischer, Kurzer Entwurf der landwirthschaftlichen Maschinenlehre und Landbaukunde, 1831; Friedrich Benedict Weber, Nachrichten von Sammlungen von Naturgegenständen … sowie von Werkstätten, wo Acker- und andere landwirthschaftliche Geräthe, Werkzeuge, Maschinen und Instrumente im Großen, oder in Modellen und Zeichnungen, überhaupt zu haben sind, in: Schlesische landwirthschaftliche Zeitung 2, 1833, 1–53 (darin: W.s Werkstätte von Ackerwerkzeugen und landwirthschaftlichen Maschinen zu Hundisburg bei Magdeburg und zu Friedrichsberg bei Kopenhagen, 1. H., 26–28); Alwin Nachtweh, Hilfsmittel und Methoden bei der Prüfung landwirtschaftlicher Maschinen, in: Fühlings landwirtschaftliche Zeitung 53, 1904, 418ff.; Elsbeth von Nathusius, Johann Gottlob Nathusius, ein Pionier deutscher Industrie, 31915; Dan Ch. Christensen, Det Moderne Projekt. Teknik & Kultur i Danmark-Norge 1750– (1814)–1850, Diss. København 1996.
Guido Heinrich/Heinz Nowak