Loewe, Heinrich Eliakim, Prof. Dr. phil.
Ps.: Dr. Heinrich Sachse
geb. 11.07.1869 Groß-Wanzleben,
gest. 02.08.1951 Tel Aviv (Israel),
Bibliothekar, Journalist, Zionist.

L. entstammte einer rabbinischen Familie in Wanzleben und war der jüngere Sohn des Kaufmannes und Vorstehers der jüdischen Kultusgemeinde, Louis L. Er besuchte ab 1882 das Pädagogium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg und erwarb dort eine vorzügliche humanistische Bildung. Religionsunterricht erhielt er vom Magdeburger Rabbiner Moritz Rahmer, dem L. auch bei der Herausgabe der Israelitischen Wochenschrift half, wobei er erste journalistische Erfahrungen sammelte. L. studierte Judaistik an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums sowie orientalische Sprachen, Geschichte und Philosophie in Berlin und promovierte 1894. Bereits während seiner Studienzeit weckte der latente Antisemitismus in akademischen Kreisen in ihm ein jüdisch-nationales Bewußtsein. Er widmete sich in der Folge der Pflege jüdischen Lebens und Wissens zur Förderung des Gefühls nationaler Zusammengehörigkeit – Hauptarbeitsgebiete waren jüdische Wissenschaft und Volkskunde – und gehörte 1889 als einziger deutscher Jude zu den Gründern des Russisch- jüdischen wissenschaftlichen Vereins, der ersten Vereinigung in Deutschland, die dezidiert die national-jüdische Idee vertrat. L. gilt als einer der Pioniere des Zionismus in Deutschland. 1892 gründete er den Jüdisch-nationalen Verein Jung Israel, der Kern der jüdisch-nationalen Bewegung in Deutschland wurde und aus dem später die Berliner Zionistische Vereinigung hervorging, zu deren Vorsitzenden L. 1898 avancierte. Auch an der Gründung mehrerer anderer jüdischer Vereine unterschiedlicher Zielsetzung war L. beteiligt. Er verband sein Anliegen mit einer regen publizistischen Tätigkeit, verfaßte zahlreiche zionistische und volkskundliche Schriften, gab 1893/94 die Jüdische Volkszeitung, 1895/96 die von ihm begründete Monatsschrift Zion heraus und war 1902–08 Redakteur der Jüdischen Rundschau, die er zum führenden Organ des deutschen Zionismus ausbaute. Zwischen 1895 und 1898 besuchte er mehrfach Palästina und lernte dort die jüdische Ansiedlung und die Pioniere der ersten Einwanderung aus Rumänien und Rußland näher kennen. Als Abgeordneter der Juden Palästinas nahm L. am ersten Zionistenkongreß 1897 in Basel teil und wurde dort mit Theodor Herzl bekannt. 1899 trat L. als unbesoldeter Hilfsarbeiter in die Berliner Universitätsbibliothek ein, bildete sich zum wissenschaftlichen Bibliothekar fort, wurde 1904 Volontär, 1905 Assistent der Bibliothek und erhielt 1915 den Professoren-Titel. Von 1919 bis 1933 war L. zudem als Dozent an der Freien Jüdischen Hochschule in Berlin tätig. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wanderte L. nach Palästina aus und übernahm das Direktorat der städtischen Bibliothek “Schaar Zion” in Tel Aviv. 1948 trat er in den Ruhestand. Besondere Verdienste erwarb sich L. um die Schaffung einer jüdischen Nationalbibliothek in Jerusalem, die er gemeinsam mit Joseph Chasanowich seit 1904 betrieb und in deren Interesse er umfangreiche Büchersammlungen organisierte. In Palästina war er Mitbegründer der Israelischen Volkskundegesellschaft und geschäftsführendes Mitglied des Verbandes für religiöse Flüchtlinge aus Deutschland.

Werke: Antisemitismus und Zionismus, 1894; Eine jüdische Nationalbibliothek, 1905; Aus der Geschichte der Berliner Judenschaft, 1908; Die Sprache der Juden, 1911; Die Juden in der katholischen Legende, 1912; Die jüdisch-deutsche Sprache der Ostjuden, 1915; Alter jüdischer Volkshumor aus Talmud und Midrasch, 1931.

Nachlaß: Zionistisches Zentralarchiv, Jerusalem.

Literatur: NDB 15, 75f.; Wer ist’s 4, 1909; KGL 4, 1931; Bio Hdb Emigr 1; Encyclopaedia Judaica, Bd. 10, 1934 und Bd. 11, 1971; Jehuda Louis Weinberg, Aus der Frühzeit des Zionismus: H. L., 1946 (B); Richard Lichtheim, Die Geschichte des deutschen Zionismus, 1954 (*B); M. Eliva, Zur Vorgeschichte der jüdischen Nationalbewegung in Deutschland, in: Bulletin Leo Baeck Institute, 1969; Andrea Habermann u. a. (Hg.), Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925–1980, 1985, 201f.; Heinz Nowak, Juden und Judengemeinden in der Magdeburger Börde und in den eingeschlossenen und angrenzenden Teilen Anhalts, Ms. 1965/1990, 49f. (Börde-Museum Ummendorf).

Heinz Nowak

letzte Änderung: 28.02.2005