Ritter,
August Gottfried, Prof. |
R., Sohn eines Bürgers und Mehlhändlers, besuchte die Augustiner-Vorschule, dann das Gymnasium, schließlich ab 1828 das Lehrerseminar in Erfurt. Vom Organisten der Augustinerkirche Andreas Ketschau erhielt er frühzeitig Klavier- und Violinunterricht. Am Seminar förderte ihn der Bachenkel-Schüler Michael Gotthard Fischer. 1831 wurde R. Organist an der Andreaskirche und Lehrer an der Andreasschule. 1832 und 1833 besuchte er allwöchentlich den Klavier- und Improvisationsunterricht bei Johann Nepomuk Hummel in Weimar. 1834 für ein halbes Jahr und danach noch für einige kürzere Zeiträume ermöglichte ihm ein ministerielles Stipendium Studienaufenthalte bei Ludwig Berger (Klavier und Komposition), Karl Friedrich Rungenhagen (Dirigieren), August Wilhelm Bach (Orgel) in Berlin, wo er auch Umgang mit dem Musikhistoriker Carl von Winterfeld und dem Musikaliensammler Georg Pölchau pflegte. Ostern 1835 wieder in Erfurt, wurde er wieder Andreas-Organist und Lehrer an unterschiedlichen Schulen, ab 1839 Organist an der Kaufmannskirche. 1844 ging er an den Dom zu Merseburg, wo er zugleich Gesangs- und Geographielehrer am Gymnasium war, 1847 an den Magdeburger Dom. Seit 1834 betätigte sich R. als Herausgeber älterer Orgelmusik für den praktischen Gebrauch (Orgel-Archiv mit Carl Friedrich Becker und Der Orgel-Freund mit Gotthilf Wilhelm Körner) sowie der Zeitschrift für Organisten Urania. In allen Wirkungsstätten trat er als Konzertdirigent sowie als Orgelbausachverständiger in Erscheinung. Wiederholt erregte er mit seinem virtuosen Orgelspiel und mit Improvisationen Aufsehen. R.s Ausbildungsgang und Studien beeinflußten nachhaltig seine historischen und Sammlerinteressen. 1845 wurde er Königlicher Musikdirektor, 1880 Professor. Seit 1846 war R. korrespondierendes Mitglied des Niederländischen Vereins zur Beförderung der Tonkunst. Zu seinem 50jährigen Amtsjubiläum 1881 wurde ihm das “Ritter-Album für Orgel” mit Kompositionen bekannter deutscher Organisten dargebracht. R. wurde geschätzt als Orgelvirtuose, Komponist, bedeutender Improvisator, Musikforscher, Lehrer und Orgelbausachverständiger. Auf allen diesen Gebieten wirkt seine Tätigkeit bis heute nach. Mit seinen zahlreichen Studien zur Geschichte der Orgelmusik wurde R. einer der Mitbegründer der Musikwissenschaften. Seine hochbedeutenden Orgelsonaten op. 11, 19, 23, 31 und die Choralvorspiele op. 8 und 9 gehören wieder zum Repertoire des Orgelvirtuosen.
Werke: Zur Geschichte des Orgelspieles, vornehmlich des deutschen, im 14. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts (2 Bde), 1884; Die Kunst des Orgelspiels (3 Tl. in vielen Auflagen); “Tonstücke”, “Poesien und Transcriptionen”, Choralvorspiele, Choralbücher für Orgel. – Ausgaben: Sammelwerke “auserlesener Gesänge” für Singstimme und Klavier, für Kirchen- und Hausmusik; Auswahl aus Bachs Klavierkompositionen (4 Hefte); 3 Kantaten von Bach im Klavierauszug.
Literatur: Hobohm, Bd. 1 und 2; Hans Joachim Falkenberg, In memoriam A. G. R. (1811–1885), in: ars organi. Zs. für das Orgelwesen 33, 1985, 159–167; Rudolph Palme, A. G. R., in: Max Hesse’s Deutscher Musiker-Kalender 2, 1887, nach einer Abschrift in der Stadtbibliothek Magdeburg hg. vom Wolf Hobohm, in: I. Internationaler August-Gottfried-Ritter-Orgelwettbewerb Magdeburg 1995 [Programmheft], 19–25; Anne Marlene Gurgel, Komponist, Virtuose, Wissenschaftler: A. G. R., in: Hermann J. Busch/Michael Heinemann (Hg.), Zur deutschen. Orgelmusik des 19. Jahrhunderts, 1998 (Studien zur Orgelmusik, Bd. 1), 179–184; Wolf Hobohm, A. G. R. (1811–1885) – Leben und Werk. Eine Chronik in Daten, in: II. Internationaler August-Gottfried-Ritter-Orgelwettbewerb Magdeburg 1999 [Programmheft], 16–18; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Orgeln im Dom zu Magdeburg, hg. von der Aktion Neue Domorgeln Magdeburg e. V., [2000], 18-20 (B).
Bildquelle: *Archiv Wolf Hobohm (privat).
Wolf Hobohm
letzte Änderung: 03.03.2005