Gruson (Grüson, Grueson, Gruzon), Johann (Jean, Jan) Philipp, Prof. Dr. phil.
geb. 02.02.1768 Neustadt bei Magdeburg,
gest. 16.11.1857 Berlin,
Bau-Kondukteur, Mathematiker, Universitätsprofessor.

Über die Schul- und Ausbildungszeit von G. ist nichts bekannt. 1787 wurde er als Bau-Kondukteur an der Kriegs- und Domänenkammer Magdeburg angestellt und 1794 als Professor der Mathematik an das Königlich-Preußische Kadettenkorps nach Berlin versetzt. 1798 wurde er ordentliches Mitglied der Académie Royale des Sciences et Belles Lettres á Berlin, lehrte ab 1799 als Professor an der Bauakademie, hielt von 1811 bis 1850 Vorlesungen an der Universität Berlin, arbeitete von 1813 bis 1819 erfolgreich an militärischen und zivilen Chiffrier- und Dechiffrieraufgaben, unterrichtete von 1817 bis 1834 Mathematik und Physik am Französischen Gymnasium in Berlin und war einige Jahre Sprecher der Mathematiker der Akademie. Die Universität Berlin promovierte ihn 1816 “unter Verzicht auf die statuarischen Leistungen” zum Dr. phil. und berief ihn zum Extraordinarius. G. wurde 1819 zum Geheimen Königlichen Preußischen Hofrat ernannt, 1827 erfolgte seine Emeritierung am Kadettenkorps, und 1837 wurde er als “Veteran der Akademie” geehrt. Seine umfangreiche Publikationstätigkeit umfaßt 30 Artikel (erste Abhandlung 1787, erste bei der Akademie eingereichte Arbeit über Theorie der Parallellinien 1792), 43 Bücher und 10 Tabellenwerke. Die Artikel beschäftigen sich mit Problemen aus Geometrie, Zahlentheorie und Analysis. Die meisten Buchveröffentlichungen waren für die von ihm Auszubildenden: Angehörige des Kadettenkorps, Schüler und Studenten gedacht. Nur noch in Katalogen nachweisbar sind zwei Bücher zu ökonomischen Problemen der Felderteilung. Bemerkenswert sind sieben Übersetzungen von Büchern bekannter Mathematiker (Euler, Lacroix, Lagrange, Saunderson, Leslie, Colberg und Mascheroni) aus dem Französischen ins Deutsche, die von ihm jeweils inhaltlich bearbeitet und ergänzt wurden. Als bildend und unterhaltend und zugleich als Beitrag zur Kulturgeschichte ist das zweibändige Werk “Enthüllte Zaubereyen und Geheimnisse der Arithmetik, zum Vergnügen und Nutzen” (2 Bde, 1796–1800) anzusehen. Die Tabellen- werke dienten als Hilfsmittel beim praktischen Rechnen; sie enthalten Multiplikations- und Divisionstafeln in verschiedenen Zahlsystemen, Faktorentafeln, Umrechnungstabellen für die Einführung eines neuen Münzsystems. G. verbesserte die Neperschen Rechenstäbe und erfand noch in Magdeburg eine Rechenmaschine (1790). Er war Lehrer, Autor, Übersetzer, Herausgeber, Erfinder und sicher einer der ersten erfolgreichen Streiter für Anwendungen der Mathematik “im gemeinen Leben”.

Werke: s.o.; Beschreibung und Gebrauch einer neu erfundenen Rechenmaschine, 1791; Pinakothek oder Sammlung allgemein nützlicher Tafeln für Jedermann, 1798.

Nachlaß: Archiv der Berliner Akademie der Wissenschaften; Archiv der Humboldt-Universität Berlin.

 Literatur: ADB 10, 65f.; Wilhelm Koner, Gelehrtes Berlin im Jahre 1845, 1846 (W); Johann C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch, Bd. 1, 1863; Henri Tollin, Geschichte der französischen Colonie zu Magdeburg, Bd. III, 1894; Adolf von Harnack, Geschichte der Königlichen-Preußischen Akademie der Wissenschaft zu Berlin, 1900; Max Lenz, Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Bd. 1, 1910; Ernst G., Aus den Tagen unserer Vorfahren, 1924; Wilhelm Lorey, Aus der mathematischen Vergangenheit Berlins, Sitzungs-Berichte der Berliner Mathematischen Gesellschaft 1950/51; Kurt-R. Biermann, Die Mathematik und ihre Dozenten an der Berliner Universität 1810–1833, 1988; Karl Manteuffel/Reinhard Buchheim, Die Rechenmaschine von J. P. G., in: Wissenschaftliche Zs. der Technischen Universität Magdeburg 36, 1992, 102–105 (*B); Karl Manteuffel, Ein Protagonist für Anwendungen der Mathematik, in: Mathematisches Bulletin Nr. 7, Hg. Fakultät für Mathematik, Universität Magdeburg, 1997 (B).

Bildquelle: Fs. zur Feier des 200jährigen Bestehens des Königlichen Französischen Gymnasiums Berlin, 1890.

Karl Manteuffel