Hirte, Rudolf
Ps.: Schäfer-Witzel
geb. 05.10.1893 Magdeburg,
gest. 25.10.1962 Berlin-Buch,
Komponist, Pianist, Musikpädagoge.

H. war der Sohn von Paul H. (Leiter der H.schen Musikschule, Organist an der Jakobikirche Magdeburg). Er erhielt nach dem Besuch des Magdeburger Domgymnasiums (Abitur 1912) seine erste musikalische Ausbildung (Klavier, Theorie) bis 1914 durch den Vater, der in Weimar noch die Ära Liszt miterlebt hatte, und den Pianisten Grus. 1914–18 studierte er in Berlin Philologie (Germanistik, Geschichte, Latein) sowie Musikgeschichte und Theorie bei Hermann Abert und Arnold Schering in Halle. Nach vorübergehender Dienstverpflichtung als Lehrer nach Torgau (bis 1918) nahm H. 1918–20 in Halle ein praktisch ausgerichtetes Musikstudium auf (Musikpädagogik, Musikgeschichte, Gesang, Komposition). 1920 legte er die Staatsprüfung zur Lehrberechtigung im Fach Gesang an höheren Lehranstalten ab. Seit 1920 wirkte er in Magdeburg als Lehrer für Klavier, Gesang, Musikgeschichte, Musiktheorie, Kompositionslehre (nach Riemann) an der 1895 gegründeten Schule des Vaters, deren Leitung er 1940–43 innehatte. Mitte der 1920er Jahre wurde er Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft und der Liga für Menschenrecht (bis 1934). 1926 heiratete er Margarete H., geb. Bremer, von der er einige Texte vertonte. H. leitete die Magdeburger Liedertafel (1930–39), den Hirte-Chor (1930–39) und den Chor der Reformierten Kirche (1928–43). 1935–39 war er Leiter der Musikalischen Zeitschrift für Hausmusik Die Fundgrube (Schönebeck-Salzelmen). Im II. Weltkrieg zu Wehrmachtstourneen (1943) und zum Wehrdienst in einer Transportkompanie (1944–45) verpflichtet, nahm er nach dem Krieg seine Tätigkeit als Musikpädagoge und freischaffender Künstler in Magdeburg wieder auf. Er beteiligte sich aktiv am Wiederaufbau des Musiklebens der Stadt. 1949 gehörte er zu den Mitbegründern der Fachgrundschule für Musik in Magdeburg (Lehrer für Klavier und Theorie). H. wurde Vorstandsmitglied des Bezirksverbandes Halle/Magdeburg des Verbandes deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler (Mitglied seit 1946). Er leitete einen Zirkel komponierender Laien und schrieb Rezensionen für die Magdeburger Volksstimme. In seiner Funktion als Mitglied des Staatlichen Rundfunkkomitees setzte er sich für zeitgenössische Kompositionen ein. H. wurde als “vielseitig gebildeter, fleißig schaffender Künstler und geachteter Lehrer” charakterisiert, der sich als “Brückenbauer zur neuen zeitgenössischen Musik” verstand (Fleischhauer). In seinen letzten Lebensjahren widmete er sich, offenbar unter Einfluß der Bitterfelder Konferenz, verstärkt dem musikalischen Laienschaffen. Sein umfangreiches kompositorisches Werk umfaßt alle musikalischen Gattungen. Ausdrucksvolle Orchestermusik für kammermusikalisch-konzertante und große sinfonische Besetzung ist effektvoll instrumentiert. Einige Werke wurden für den Rundfunk bzw. für die Schallplatte eingespielt. H. wirkte zeitlebens auch als Pianist und Begleiter. Eine geplante Abh. über das Klavierspiel wurde nicht realisiert.

Werke: Liederzyklen (Julius Otto Bierbaum, Margarete H., Richard Dehmel, Theodor Storm, Heinrich Heine, Detlev von Liliencron); Kantaten (z. B. Seid wachsam und wirket); Chorwerke (z. B. Leben ist uns Leidenschaft, 1951); Oper: Der Sonnenspiegel (Max Gaertig, ca. 1935–37); heiteres Singspiel: Die lockende Stadt (Margarete H.); Orchestermusik: drei Sinfonische Fantasien für großes Orchester; Doppelkonzert F-Dur für Violine, Viola und großes Orchester (UA Querfurt 1960); zwei Klavierkonzerte; Oboenkonzert; Sinfonische Tanzszenen; unterhaltende Serenaden; Kammermusik: Streichquartett G-Dur; Sonate für Cello und Klavier a-Moll; Klavierwerke: drei Sonaten (Nr. 3 h-Moll, 1961), Walzer.

Nachlaß: Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin; Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg.

Literatur: Erich H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, 1929, 569; Nachruf, in: Der Neue Weg, 29.10.1962; Günter Fleischhauer, R. H. zum Gedenken, in: Musik und Gesellschaft 13, H. 4, 1963, 224 (B); Wolfgang H., Kompositorisches Schaffen und Notenverzeichnis R. H., Ms. 1997; Ralph-J. Reipsch, R.H. - Magdeburger Komponist, Pianist und Musikpädagoge 1893-1962, in: Der Notenschlüssel, Bd. 2002-2003, 2002, 20.

Bildquelle: *Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat): Tuschzeichnung von Bruno Beye.

Ralph-J. Reipsch