Ulbrich, Martin Immanuel Karl, Dr. theol. h.c.
geb. 10.11.1863 Breslau,
gest. 17.05.1935 Magdeburg,
evangelischer Pfarrer.

Das älteste Kind des evangelischen Pfarrers und Vorstehers des Diakonissen-Mutterhauses Bethanien in Breslau, Karl U., studierte nach dem Besuch des Johannesgymnasiums in Breslau evangelische Theologie in Breslau, Berlin und Halle (1883– 87). 1887 trat er eine Stelle als Hilfsprediger in Salzbrunn/Schlesien an, wurde Anfang 1889 ordiniert und anschließend Pfarrer in Trebnitz bei Breslau. 1893 avancierte er zum Oberpfarrer im schlesischen Rothenburg. Nachdem eine Zählung 2.400 Körperbehinderte (sogenannt Krüppel) in Schlesien ergeben hatte, begann hier 1899 die gezielte Pflege körperbehinderter Menschen, bei der U. eine führende Rolle einnahm. Er gründete Ende 1901 in Rotenburg das Krüppelpflegeheim “Zoar”, das später zu Ehren seines Initiators in Martin-Ulbrich-Haus umbenannt wurde. Im Mai 1903 wurde U. als Nachfolger Gustav Adolf Pfeiffers zum Vorsteher der Pflege-, Heil-, Lehr- und Ausbildungsanstalten in Cracau bei Magdeburg berufen. Er erarbeitete 1904 eine Satzung für die nach ihrem Begründern benannten Pfeifferschen Anstalten, die wenig später ihre Anerkennung als milde Stiftung erhielten, und gab in der Folge regelmäßig “Nachrichten”, später auch Jahrbücher der Anstalten heraus. U. baute die von Pfeiffer begonnene Arbeit mit körperbehinderten Menschen bedeutend aus, die zum Erlaß des Preußischen Krüppelgesetzes führte. Infolge seiner Bemühungen konnte am 26./27. Juni 1905 in Cracau die Konferenz der Deutschen Krüppelpflegeanstalten unter Leitung von Theodor Hoppe, Potsdam-Babelsberg, stattfinden. Unter U.s Leitung wurden insbesondere die Heil- und Pflegeeinrichtungen der Pfeifferschen Anstalten gezielt erweitert. Im November 1905 erfolgte die Grundsteinlegung für das Kaiser Wilhelm-Auguste-Viktoria-Haus (aus Silberhochzeitsgaben des Kaiserpaars) für schwachsinnige Krüppel. Neben einer staatlich anerkannten Krankenpflegeschule regte er 1912 die Gründung einer zweijährigen Haushaltungsschule an. Mitte 1913 wurde mit dem Bau eines Handwerkerheimes begonnen, das ein Jahr später infolge der Kriegsereignisse zum Lazarett umfunktioniert und erst 1919 seiner eigentlichen Bestimmung übergeben wurde. U. initiierte im Februar 1915 in Cracau einen Kongreß für Kriegsverstümmeltenfürsorge und den Bau einer entsprechenden Pflegeeinrichtung, dem sogenannten Hohenzollernstift. 1924 wurde ihm durch die theologische Fakultät der Universität Halle als Zeichen der Anerkennung seiner langjährigen Verdienste um die Körperbehindertenfürsorge, die Siechen- und Anormalenpflege und um die Entwicklung der Pfeifferschen Anstalten die theologische Ehrendoktorwürde verliehen. Bevor U. 1931 in den Ruhestand trat, konnten 1927 und 1928 mit der Einweihung des Altenpflegeheims “Bethesda”, dem Luisenhaus und einem neuen Diakonissenmutterhaus weitere Einrichtungen der Nutzung übergeben werden. Er schaltete sich durch zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen (Bücher, Artikel und Gedichte) in die Diskussion über soziale Problemlagen und ihre Bewältigung ein und nahm u. a. zu Fragen der Krankenseelsorge, zur Euthanasie, zum umstrittenen Paragraphen 218 des deutschen Strafgesetzbuches und zur Jugenderziehung Stellung.

Werke: Die Krankenseelsorge. Beiträge aus der Arbeit für die Arbeit an Kranken-, Siechen- und Sterbebetten, 1912; Merkwürdige Menschen. Schlichte Lebensbilder, 1914; Dürfen wir minderwertiges Leben vernichten? Ein Wort an die Anhänger und Verteidiger der Euthanasie, 1923; Hauptjugendsünden der Gegenwart, 1925; Was jeder vom Krüppeltum und seiner Bekämpfung wissen muß, 1925; Der Mord der Ungeborenen, des deutschen Volkes größte Sünde, 1927; Unsers Volkes größte Not und seine Rettung. Ein Weckruf zum Kampf wider das Anormalen-Elend, 1927; Die Geschichte des Diakonissenmutterhauses Pfeiffersche Anstalten 1889–1928, 1928.

Literatur: Nachrichten aus den Pfeiffer’schen Anstalten zu Magdeburg-Cracau, 1903ff.; Jb. der Pfeifferschen Anstalten zu Cracau bei Magdeburg, 1911ff.; Fs. 75 Jahre Pfeiffersche Stiftungen, 1964, 17–37 (B); Johannes Kiefner, Theologie und Werk M. U.s, Diss. Tübingen 1983; Archiv der Pfeifferschen Stiftungen Magdeburg.

Archivalien:  AKPS: Rep. A, Spec. P, U 8 (PA).

Bildquelle: *Pfeiffersche Stiftungen Magdeburg-Cracau: Ölgemälde.

Ursula Pape

letzte Änderung: 19.08.2004