Spanier, Arthur, Dr. phil.
geb. 17.11.1889 Magdeburg,
gest. 30.03.1944 KZ Bergen-Belsen,
Bibliothekar, Altphilologe, Orientalist, Hochschullehrer.

Der Sohn des jüdischen Religionslehrers Moritz S. absolvierte das König Wilhelms-Gymnasium in Magdeburg und studierte 1908–13 Altphilologie an der Universität Berlin, u. a. bei Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf und Eduard Norden. Zugleich besuchte er die dortige Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. 1914 legte er sein Staatsexamen als Lehrer für Latein, Griechisch und Hebräisch ab und war anschließend im höheren Schuldienst beschäftigt. Nach seinem Einsatz als Frontsoldat im I. Weltkrieg (1915–18) und kurzer Betätigung als Studienassessor am Gymnasium in Königsberg/Neumark wurde S. Mitarbeiter am neugegründeten Forschungsinstitut für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. Während dieser Zeit promovierte er in Freiburg/Breisgau mit einer Arbeit über den Neuplatoniker Albinus. Im Oktober 1921 trat er, seiner inneren Neigung folgend, als Volontär in den Dienst der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin und wurde, nach Ablegung des bibliothekswissenschaftlichen Examens, 1923 zunächst Assistent und 1926 Bibliotheksrat. Als Referent für Judaica und Hebraica der Orientalischen Abteilung der Bibliothek und bedeutendster Nachfolger Moritz Steinschneiders erwarb er sich außerordentliche Verdienste um die Vermehrung und Beschreibung der judaistischen Bestände und galt zudem als herausragender Fachmann für die Katalogisierung armenischer Handschriften. Der exzellente Kenner der Geschichte des talmudischen Schrifttums nahm darüber hinaus langjährig eine Dozentur an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin wahr – eine Tätigkeit, die er auch nach seiner rassisch begründeten Beurlaubung und Versetzung in den Ruhestand Ende 1935 bis 1938 weiterführen konnte. S.s in mehreren Publikationen niedergelegte Forschungen führten, ausgehend von den Ergebnissen seiner altphilologischen Studien, zu einem neuen Verständnis althebräischer Poesie und Prosa, das den Ausgangspunkt der Deutung des rhythmischen Gehalts eines Textes beim natürlichen hebräischen Satzakzent nimmt. Im November 1938 wurde S. im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, wo ihn der Ruf als “Instructor of Rabbinics” an das Hebrew Union College nach Cincinnati/Ohio (USA) erreichte. Weil die bereits genehmigte Ausreise an der rigiden Haltung der amerikanischen Konsularbehörde scheiterte, emigrierte S. 1939 in die Niederlande. 1942 wurde er in Amsterdam von der Gestapo verhaftet und anschließend nach Bergen-Belsen deportiert.

Werke: Die Toseftaperiode in der Tannaitischen Literatur, 1922, 21936; Die massoretischen Akzente. Eine Darlegung ihres Systems nebst Beiträgen zum Verständnis ihrer Entwicklung, 1927; Der hebräische Satzakzent, 1928; Das Berliner Baraita-Fragment, 1931; Zur Frage des literarischen Verhältnisses zwischen Mischnah und Tosefta, 1931.

Literatur: Jahresberichte der Preußischen Staatsbibliothek Berlin 1925–34, 1927–35 (W); Salomon Wininger, Große jüdische National-Biographien, Bd. 7, 1935 (1. Nachtrag); Eugen Täubler, A. S. 1889–1944, in: Historia Judaica 7, 1945, 96; E. G. Lowenthal (Hg.), Bewährung im Untergang. Ein Gedenkbuch, 1965, 162–164; Biographisches Hdb. der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 2, 1983; Werner Schochow, Die Preußische Staatsbibliothek 1918–1945. Ein geschichtlicher Überblick, 1989, 38, 60, 91f., 130.

Archivalien:  Staatsbibliothek Berlin: I 9173 (PA); I 76/567, Bl. 309–311, 322, 398–406.

Guido Heinrich