Lilje, Wilhelm Heinrich Georg
geb. 23.12.1868 Harburg bei Hamburg,
gest. 12.05.1948 Buchholz/Nordheide,
Leitender Oberingenieur, Technologe und Konstrukteur.

Der Sohn des Arbeitsmannes Heinrich Hartwig Wilhelm L. erlernte nach dem Schulbesuch 1874–82 den Beruf eines Gelbgießers, absolvierte eine Maschinenbauausbildung an der 1865 gegründeten Staatlichen Gewerbeschule in Hamburg und trat 1890 in die von Eugen Polte 1886 von der Firma Jürgens & Co. erworbene Armaturenfabrik in Magdeburg ein, die dieser als Armaturen- und Patronenfabrik weiterführte. Polte forderte und formte den jungen Ingenieur, der bald selbst eine maßgebliche Rolle in dessen Metallwerken spielte und nach Poltes Ableben 1911 insgesamt 45 Jahre die technische Entwicklung des Unternehmens als leitender Oberingenieur bestimmte. L. führte das Werk des Firmeninhabers fort, indem er durch intensive technische Arbeit auf den Gebieten der Konstruktion und Fertigungstechnologien, insbesondere bei der Patronenhülsenherstellung, neuartige Verfahren einführte und damit neben einer Verbesserung der Qualität, einen geringeren Energiebedarf und niedrigere Fertigungskosten erzielte. Er baute die Poltesche-Munitionsfertigung um 1900, insbesondere die qualitative Herstellung der 8,8 cm Patronenhülsen, neu auf und führte innovative Methoden der Qualitätssicherung ein. Die dazu erforderliche Maschinentechnik konzipierte, konstruierte und baute L. im Unternehmen selbst und lieferte sie als komplette Linien zur Herstellung und Aufarbeitung von Geschoßhülsen an Dritte in Europa und Übersee. Er führte u. a. Untersuchungen zu Werkstoffstrukturen und Härtedruckproben nach dem Kaltumformen in die Fertigung ein und war 1933 der älteste und erfahrenste Fachmann auf dem Gebiet der Munitionsherstellung in Deutschland L. reichte dem Reichswehrministerium 1935 einen Realisierungsvorschlag bezüglich Organisation, Verfahren und Maschinenpark zur Wiederaufarbeitung von beschossenen Geschützhülsen hinter den Kampflinien ein. Mit Kreativität und Fleiß sicherte er seinem Unternehmen eine Vorrangstellung bei der Munitionsherstellung in Europa und stellte sich damit in die Reihe der Pioniere der Automatisierung in der Metallindustrie.

Literatur: Martin Lichtenberg, Entwicklungstendenzen in der Magdeburger Industrie, Diss. 1934; Manfred Beckert, Wegbereiter der Automatisierung, in: Volksstimme Magdeburg vom 28.12.1991.

Archivalien: LHASA SA 257/26.

Bildquelle: *Gerda Reschke, Marburg (privat).

Werner Hohaus

letzte Änderung: 10.02.2205