Hachtmann, Ferdinand |
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Der Sohn des reformierten Magdeburger Kaufmanns Heinrich
Wilhelm H. absolvierte das Pädagogium im Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg
und studierte nach der Reifeprüfung 1816 evangelische Theologie in Halle und
Berlin. Der an der Universität Halle herrschende Rationalismus enttäuschte
ihn. Er wechselte an die Universität Berlin, wo die Persönlichkeit
Schleiermachers ihn nur bedingt beeinflußte. H. zog die “subjektivistische Frömmigkeitstheologie”
von Neander an, dessen Wahlspruch “das Herz macht den Theologen” H.s
tiefster Überzeugung entsprach. 1824 berief ihn Fürst Heinrich von Anhalt-Pleß
zum Hofprediger in Pleß und Pfarrer im Kirchspiel Anhalt/Oberschlesien.
Gesundheitlich infolge des sozialen und schulischen Engagements im
Gemeindedienst sehr geschwächt, folgte H. 1829 dem Ruf des Evangelischen
Konsistoriums Magdeburg in die Pfarrstelle Großwulkow bei Jerichow. Ab 1841 war
H. als Diakonus in Barby tätig und wurde dort 1851 Oberpfarrer. Nach dem Tod
seiner Frau 1866 ließ er sich in den Ruhestand versetzen und zog nach Flensburg
in die Nähe seines jüngsten Sohnes, der in Jörl Pastor war. H.s Bedeutung
liegt in der Gründung und Trägerschaft einer intensiven Missionsarbeit in
seiner Großwulkower Wirkungszeit. Seine Forderung nach einer Frömmigkeit, die
sich durch persönliche Entscheidung ganz in den Dienst Jesu stellt und als
Mittelpunkt die Vertiefung des Glaubens durch Gebet anstrebt, löste die
“H.sche Erweckungsbewegung” aus. Sie erfaßte von 1830 bis 1841 nicht nur
das Jerichower Land, sondern auch die Altmark, Teile Brandenburgs und fand Anhänger
bis hinein nach Magdeburg. “Man pilgerte nach Großwulkow”, hieß es in
einem Bericht. Das Herzstück dieses Glaubens war die Liebe zum Nächsten. So
war man bereit, um Jesu willen alles zu verlassen und den “armen Heiden” in
Indien das ewige Leben zu bringen. H. selbst übernahm die Zurüstung im Auftrag
des katholischen Geistlichen Johannes Evangelista Goßner, der 1826
evangelischer Pfarrer geworden war, 1836 die Missionsgesellschaft Berlin II gegründet
hatte und mit dem H. eine enge Freundschaft verband. Goßner und H. waren sich
darin einig, daß “die Mission in demütiger Einfalt” erfolgen müsse. So
sollte die jeweilige Sprache zusammen mit den Eingeborenen erlernt werden, die
Missionare sollten sich selbst ernähren und nicht durch Spenden der
Heimatgemeinde ihre Existenz absichern. Nur ein christlicher Lebenswandel und
die rechte Auslegung der Worte Jesu könnte die Heiden überzeugen. Es waren überwiegend
junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren, die sich zu dem täglich
stattfindenden Vorbereitungsdienst (Bibelauslegung und Gebet) mit H. trafen,
darunter die vier Gründer der Goßnerschen Mission in Indien, Andreas
Dannenberg aus Großwulkow, Johann
Andreas Wernicke aus Kleinwulkow, Friedrich Paproth aus Burg, Heinrich Heinig
aus Magdeburg und einer der bedeutendsten Indienmissionare, Wilhelm Ziemann aus
Großwudicke. Auch die ersten Missionare, die Goßner nach Nordamerika schickte,
sind auf Anregung und unter dem Einfluß von H. ausgesandt worden. Sie kamen u.
a. aus Tangermünde, Stendal und Mieste. Zwei Jahre nach dem Weggang H.s gründeten
Gemeindeglieder 1843 in Kleinwulkow einen der ersten Missionsvereine
Deutschlands.
Werke: Wohin
sollen wir gehen?, nebst einem Vorwort über die schriftwidrige Lehre der
“Lichtfreunde”, 1845.
Literatur:
Johannes Rosa, Aus dem Leben und Treiben dreier kleiner Dörfer, 1909, 47
u. ö.; Walter Foertsch, Goßner-H.-Amerika, 1928; Archiv des Geschichtskreises
Wulkow-Wust: Rundbriefe des Familienverbandes auf
der Hacht, genannt H., 1927–1930; Goßner, in: Gerhard Bosinski/
Paul Toaspern (Hg.), Wer mir dienen will. 24 Lebensbilder von Männern
und Frauen im Dienst der Liebe, 1978, 21981.
Bildquelle: *Sammlung Karlheinz Stephan, Großwulkow (privat).
Karlheinz Stephan
letzte Änderung: 02.02.2005