Alvensleben, Johann August Ernst Graf (seit 1798) von
geb. 06.08.1758 Erxleben,
gest. 27.09.1827 Erxleben,
Jurist, Rittergutsbesitzer, Domdechant zu Halberstadt, Staatsminister.

Der Sohn des Oberstleutnants Johann August v.A. auf Erxleben wurde bis zum 17. Lebensjahr durch Privatlehrer auf dem väterlichen Familiengut unterrichtet, bezog im Herbst 1774 für drei Jahre die Universität Helmstedt, um Jura und Staatswissenschaften, aber auch Geschichte und Philosophie zu studieren, und trat danach als Referendar bei der Kriegs- und Domänenkammer in Magdeburg in den Staatsdienst ein. A., einziger Erbe der ausgedehnten väterlichen Besitzungen, übernahm auf Wunsch seines Vaters bereits 1782 die Verwaltung des Gutes Erxleben, 1783 auch des Gutes Uhrsleben. 1784 gehörte er als Deputierter dem engeren Ausschuß zur Revision des kur- und neumärkischen ritterschaftlichen Kreditreglements in Berlin an und arbeitete 1793–96 am märkischen Provinzialgesetzbuch mit. Schon früh durch angestammtes Recht in die Kandidatenliste des Domstiftes zu Halberstadt eingetragen, versah A. ab 1788 dort eine Domherrenstelle, verlegte seinen Wohnsitz dauerhaft nach Halberstadt, ohne dabei die Verwaltung seiner Güter zu vernachlässigen, und konnte sich bald das Vertrauen des Domkapitels erwerben. Nachdem Christian Friedrich Graf zu Stolberg-Wernigerode aufgrund von Zwistigkeiten 1796 seine Stelle als Dechant des hohen Domstiftes zu Halberstadt niedergelegt hatte, wurde A. zu dessen Nachfolger gewählt und übte dieses Amt – eines der einflußreichsten im Fürstentum Halberstadt – mit großer Sorgfalt und Umsicht bis zur Auflösung des Stiftes durch die französischen Verwaltungsbehörden 1810 aus. A. repräsentierte und vertrat die geistlichen Stiftungen, verwaltete die Halberstädter Dom-Domänen, den Grundbesitz, den Zehnten, die Justiz, die Polizei, das Kirchen- und Schulwesen sowie die frommen Stiftungen und nahm bedeutende Regierungs- und Patronatsrechte wahr. Der König erhob ihn und seine Nachkommen 1798 in den Grafenstand. Als Kenner und Verehrer der Kunst und Wissenschaft schätzte und unterstützte A. den Domsekretär Gleim und den Domoffizianten und Dichter Klamer Schmidt, dem er mit einem großzügigen Zuschuß eine Pfründe verschaffte, die sein Auskommen sicherte. Nach dem Frieden von Tilsit erwarb er sich durch Reisen als Provinzabgeordneter nach Paris (1807) und als Reichsdeputierter zur Huldigung Jérôme Bonapartes nach Kassel (1808), als Präsident des Wahlkollegiums für die Reichstagsdeputierten des Elbdepartements bei Berufung der westfälischen Reichsstände sowie als Abgeordneter des Kasseler Reichstags (1808 und 1810) hohes Ansehen bei der französischen Regierung. Ab 1810 lebte A. zurückgezogen auf seinem Stammgut in Erxleben, verwaltete die Besitzungen und widmete sich verstärkt dem Studium der Geschichte und deutschen Literatur. 1816 durch Friedrich Wilhelm III. für seine Verdienste während der französischen Besetzungszeit mit dem Roten Adler-Ordens I. Klasse geehrt und zum Ritter des Johanniter-Ordens gewählt, trat A. 1820 in braunschweigische Dienste. Als Vormundschaftsvertreter König Georgs IV. von England übernahm er mit Genehmigung des preußischen Königs das Amt des ersten Staatsministers der Regierung des Herzogtums Braunschweig und führte es – als Repräsentant des noch minorennen Landesherrn – verdienstvoll bis zur formellen Mündigkeitserklärung des neuen Herzogs Karl II. am 30.10.1823. Eine bedeutende, ihm bei seinem Ausscheiden angetragene Pension lehnte er ab. 1824 bestimmte Friedrich Wilhelm III. ihn infolge der Verhandlungen der preußischen Provinzial-Stände zum Landtagsmarschall der Provinz Brandenburg und der Nieder-Lausitz und ernannte ihn Ende 1824 auch zum Wirklichen Mitglied des Staatsrates. A.s staatsrechtliches Denken und Wirken war auch von freimaurerischen Anschauungen geprägt. 1778 in die Braunschweiger Loge aufgenommen, gehörte er von 1781 bis 1797 der Loge “Ferdinand zur Glückseligkeit” in Magdeburg an und führte von Oktober 1808 bis 1812 als deputierter Meister vom Stuhl die Loge “Zu den 3 Hammern” in Halberstadt.

Literatur: ADB 1, S. 377f.; Neuer Nekr 5, 1829, S. 846-852; Peter Wilhelm Behrends, Neuhaldenslebische Kreis-Chronik oder Geschichte aller Oerter des landräthlichen Kreises Neuhaldensleben, im Magdeburgischen, Bd. 2, 1826, S. 433f.; [Anonym], Biographie J. A. E., Graf v.A., in: Der Harz-Bothe (Halberstadt), Bd. 1, 1827, S. 67-80; Siegmund Wilhelm Wohlbrück, Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte v.A. und dessen Gütern, Bd. 3, 1829, S. 389-393; G. Miehe, Geschichte der Freimaurerei in Halberstadt, 1896; Otto Boese, Karl II., Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. Ein Beitrag zur Metternich-Forschung, 1956; Horst-Rüdiger Jarck/Günter Scheel (Hg.), Braunschweigisches Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, 1996, S. 26.

Bildquelle: *Familienarchiv v.A., Hamburg (privat).

Guido Heinrich

letzte Änderung: 25.04.2006