Lindau, Paul, Dr. phil.
geb. 03.06.1839 Magdeburg,
gest. 31.01.1919 Berlin,
Schriftsteller, Journalist, Dramaturg.

Der Sohn des Justizkommissars Leopold L. und Enkel des evangelischen Pfarrers und Schriftstellers Heinrich Gottwerth Müller besuchte nach dem Umzug der Familie 1847 von Magdeburg nach Berlin das dortige Dorotheenstädtische Realgymnasium und studierte 1857–59 Philosophie und Literaturgeschichte in Halle, Leipzig und Berlin. Anschließend hielt er sich bis 1862 in Paris auf, wo er u. a. am Collège de France und an der Sorbonne Vorlesungen über französische Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts besuchte. Als Kenner der französischen Gegenwartsliteratur und der Pariser Kulturszene verfaßte er Feuilletons und Berichte für deutsche Zeitungen. Aufgrund einer Dissertation über Moliere wurde er später (Anfang 1872) von der philosophischen Fakultät der Universität Rostock in absentia promoviert. Seine berufliche Laufbahn begann L. als Redakteur der Berliner Sternzeitung (1862) und der Düsseldorfer Zeitung (1863–65). Ab 1866 war er Redakteur der Elberfelder Zeitung, leitete ab 1869 das Neue Blatt in Leipzig, wechselte aber wenig später als Schriftsteller und Journalist wieder nach Berlin. Hier gründete er 1872 die einflußreiche Zeitschrift Die Gegenwart. Wochenschrift für Kunst, Literatur und öffentliches Leben, für die u. a. auch Theodor Fontane Beiträge lieferte. Ab 1877 gab der streitbare L. zudem die belletristische Monatsschrift Nord und Süd heraus. Als einer der führenden Berliner Theaterkritiker und Feuilletonist wurde er vor allem durch seine geistvolle, aber selten provozierende Ironie bekannt und populär. L. trat zudem mit einer umfangreichen Literaturproduktion hervor. Seine anfangs sehr erfolgreichen, auf einfachen Konfliktkonstruktionen aufbauenden und an französischen Modellen orientierten Salonstücke verloren in den 1880er Jahren zunehmend an Bedeutung und wurden durch die “sozialen Dramen” des aufkommenden Naturalismus konterkariert. In der Folgezeit widmete er sich verstärkt der Romanproduktion. Mehrere seiner Berliner Zeit- und Gesellschaftsromane, die heute vergessen sind, wurden zu Bestsellern. 1890 stand L. im Mittelpunkt eines Liebes- und Theaterskandals, in dessen Folge er Berlin verließ, eine Orientreise unternahm und sich 1891 in Dresden niederließ. 1895–99 leitete er als Intendant das seinerzeit im deutschen Bühnenleben Maßstäbe setzende Hoftheater zu Meiningen, wirkte anschließend wieder in Berlin als Direktor des Berliner Theaters (1900–03) und des Deutschen Theaters (1903/04) sowie 1909–17 als erster Dramaturg des Königlichen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Noch 1913 experimentierte L. im neuen Medium des Films. Er verkörperte jedoch stets den großstädtischen Literaten und Kritiker, der sich “erst nach der Reichsgründung in Berlin durchsetzte und seine Vorbilder in Paris hatte” (Killy).

Werke: Berlin. Romantrilogie (3 Bde), 1886–1888; Gesammelte Romane und Novellen (10 Bde), 1909–1912; Nur Erinnerungen (2 Bde), 1916 (B).

Nachlaß: vgl. Kosch LL 9, Sp. 1453.

 Literatur: NDB 14, 573–575; Kosch LL 9, Sp. 1451–1453 (W); Killy 7, 297f.; Franz Mehring, Der Fall L., 1890; Renate Antoni, Der Theaterkritiker P. L., 1961; Anneliese Eismann-Lichte, P. L. Publizist und Romancier der Gründerjahre, 1981; Roland Berbig, P. L. – eine Literatenkarriere, in: Peter Wruck (Hg.), Literarisches Leben in Berlin 1871–1933, Bd. 1, 1987, 88–125.

Bildquelle: *Guido Heinrich, Magdeburg (privat).

Guido Heinrich