Wiggert, Samuel
Friedrich Heinrich, Dr.
phil. |
W., Sohn eines Kaufmanns, besuchte 1804-10 das Domgymnasium in Magdeburg unter Gottfried Benedict Funk und studierte anschließend in Halle und Berlin evangelische Theologie. 1814 trat er am Domgymnasium in Magdeburg als Kollaborator ein, wurde hier 1821 zum Oberlehrer, 1835 zum Professor befördert sowie ab Juli 1848 stellvertretend und ab 1849 dann endgültig als Nachfolger von Carl Funk zum Direktor des Domgymnasiums berufen. Unter seiner Leitung gewann die Schule weiter an Ansehen und kam 1860, dem Jahr, in dem W. wegen zunehmender Schwerhörigkeit in den Ruhestand trat, auf eine bis dahin nicht erreichte Zahl von mehr als 500 Schülern. Angeregt durch Jakob Grimms epochemachendes Hauptwerk, die “Deutsche Grammatik” (1819), widmete sich W. eingehend philologischen Studien und gab kleinere Sammlungen verschiedener von ihm aufgefundener, älterer deutscher Mundart-Handschriften heraus. In verdienstvoller Weise machte er die niederdeutschen Fabeln des Gerhard von Minden und eine niederdeutsch gereimte Umschreibung der Sittensprüche des Facetus bekannt. Neben seinen altdeutschen Sprachforschungen hegte er vorzügliches Interesse für die Sphragistik, Numismatik und Architektur des Mittelalters sowie die Erforschung der älteren Geschichte der Stadt und Region Magdeburg. W. galt als einer der gründlichsten und feinsten Kenner der Magdeburger Lokalgeschichte, der vielfach kleinere Arbeiten und Beiträge u. a. zu Friedrich Wilhelm Hoffmanns “Geschichte der Stadt Magdeburg” (1845–50) lieferte, jedoch von seinen vielfältigen Kenntnissen wenig selbständig publizierte. Als einer der einflußreichsten Mitglieder des Thüringisch-Sächsischen Althertumsvereins erwarb er sich große Verdienste um die Förderung regionalgeschichtlichen Forschung in der Magdeburger Region. Er gründete 1866 mit Gleichgesinnten den Verein für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg, dessen erster Vorsitzender er war, und initiierte die Herausgabe der Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Seine bedeutenden und umfangreichen Sammlungen zur Geschichte und Altertumskunde Deutschlands, insbesondere zum Erzstift Magdeburg, gingen nach seinem Tod z.T. in den Besitz des Vereins und der Stadt Magdeburg über.
Werke: Vocabula latinae linguae primitiva. Nebst zwei Anhängen über Wortbildung und Sylbenquantität in der lateinischen Sprache, auch Vorerinnerungen über das Wörterlernen, 1820, 201888; Variae Lectiones ad Lucani Phars. IX, 423-642 et 862-1077 ex fragmentis codicis membr. Magdeburgensibus descriptae, in: Johann Andreas Matthias (Hg.), Gedanken über die Grenzen des Gymnasial-Unterrichtes und über den auf denselben vorbereitenden Unterricht, 1824; Scherflein zur Förderung der Kenntniß älterer deutscher Mundarten (2 Bde), 1832–1836; Wie man antike Gemmen im Mittelalter zu Siegelstempeln benutzte. Ein Versuch für die Siegelkunde, 1844; Der Dom zu Magdeburg, 1845; Nachrichten über die Funksche Stiftung beim Domgymnasium, zu Magdeburg aus den ersten dreißig Jahren ihres Bestehens, 1850; Ueber Martin Luther’s Schülerleben zu Magdeburg und den dortigen Verein der Brüder vom gemeinsamen Leben im Thal des h. Hieronymus, auch Trulbrüder (Nulbrüder, Lulharden) genannt, 1851; Über das Denkmal Kaiser Otto’s auf dem Alten Markt, 1858; Über die Begräbnisse der Erzbischöfe im Dom zu Magdeburg, in: GeschBll 2, 1867, 190–220.
Nachlaß: StadtA Magdeburg: Rep. 12 B.
Literatur: ADB 42, 468f.; Carl Janicke, F. W., in: GeschBll 6, 1871, 620–626; George Adalbert von Mülverstedt, W.iana, in: ebd. 7, 1872, 403–407; Hugo Holstein, Geschichte des Domgymnasiums zu Magdeburg, 1875, 117–124; Gustav Hertel, Bericht über die Tätigkeit des Magdeburgischen Geschichtsvereins in den ersten 25 Jahren seines Bestehens, in: Fs. zur 25jährigen Jubel-Feier des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstiftes Magdeburg, 1891, 3–14; Alfred Laeger, Vereinigtes Dom-und Klostergymnasium Magdeburg 1675-1950, 21967, 13f.; Ingelore Buchholz u.a. (Bearb.), Das Stadtarchiv Magdeburg und seine Bestände, 2002, 124.
Bildquelle: *KHM Magdeburg: Ölgemälde von Edmund Wodick.
Wolfgang Mayrhofer
letzte Änderung: 30.03.2004