Schildmacher, Hans Egon Wilhelm, Prof. Dr. phil.
geb. 13.03.1907 Magdeburg,
gest. 03.09.1976 Hiddensee,
Zoologe, Ornithologe, Hochschullehrer.

Der Sohn des Uhrmachermeisters Otto S. besuchte die Städtische Vorbereitungsschule und das Reform-Realgymnasium in Magdeburg. Sein Interesse für die heimische Tierwelt wurde beim Durchstreifen der Elbauenlandschaft geweckt und später durch verständnisvolle Lehrer, vor allem durch Paul Rabitz, in wissenschaftliche Bahnen gelenkt. Gemeinsam mit interessierten Mitschülern gründete S. 1923 die Ornithologische Vereinigung Magdeburg. 1924 wurde er vom Direktor des Museum für Natur- und Heimatkunde August Mertens als “Mitarbeiter des Sächsischen Provinzialkomitees für Naturdenkmalpflege” verpflichtet, wobei die Überwachung der Bibervorkommen in der Magdeburger Kreuzhorst im Vordergrund stand. Nach dem Abitur 1926 studierte S. Naturwissenschaften und Philosophie an den Universitäten Halle und Berlin. Hier promovierte er 1931 bei Erwin Stresemann mit einer Arbeit über die “Herbst’schen Körper”, ein Sinnesorgan der Vögel. Nach Tätigkeit im Provinzialmuseum Hannover, wo er einen Saal “Die Tierwelt Niedersachsens nach Lebensgemeinschaften” neu einrichtete, ging S. als Assistent von Rudolf Drost an die Vogelwarte Helgoland. Zur Vorbereitung der Habilitation wechselte er Anfang 1939 an die Universität Rostock, wurde aber schon im August 1939 zum Militärdienst einberufen und nach einer Verwundung als “Heeres-Entomologe” zur Malaria-Bekämpfung in Südosteuropa eingesetzt. 1948 übernahm S. an der Biologischen Forschungsanstalt der Universität Greifswald in Kloster auf Hiddensee die Leitung der Vogelwarte, die durch die Kriegsereignisse ihre Räume und fast alles Inventar verloren hatte. In relativ kurzer Zeit gelang es ihm, die Vogelwarte Hiddensee zu einer modernen, auch als Vogelberingungszentrale der DDR und als Zentralstelle für Seevogelschutz internationalen Ansprüchen gerecht werdenden Forschungsstätte auszubauen. 1951 wurde S. mit einer Professur an der Universität Greifswald betraut und 1957 als Direktor der Biologischen Forschungsanstalt Hiddensee eingesetzt, wo neben der Vogelwarte botanische, zoologisch-hydrobiologische und parasitologische Forschungsarbeiten sowie meeresbiologische Ausbildungskurse durchgeführt wurden. 1959 zum Professor mit Lehrstuhl und 1969 zum ordentlichen Professor für Zoologie an der Universität Greifswald berufen, zeichnete sich S. durch vielseitige Lehr- und Forschungstätigkeit aus, wobei über Jahrzehnte die Physiologie des Vogelzuges, dessen photoperiodische Steuerung und ernährungsphysiologische Ursachen sowie Aktivitäten zum Vogelschutz im Vordergrund standen. Seit der Schulzeit war S. bestrebt, die Ornithologie in der Öffentlichkeit bekanntzumachen. So hielt er 1927 in der “Wilhelma” in Magdeburg-Neustadt einen Vortrag “Rätsel des Vogelzuges”. Ab 1927 erschienen auch auf seine Initiative die Mitteilungen der Ornithologischen Vereinigung Magdeburg, ab 1936 mit dem Untertitel Beiträge zur Avifauna der nördlichen Provinz Sachsen, ab 1937 als Beiträge zur Avifauna Mitteldeutschlands. Von Hiddensee aus förderte S. die Gründung ornithologischer Arbeitsgemeinschaften und gab den Laienforschern wertvolle methodische Anleitungen, u. a. durch die Übersetzung und Herausgabe des Buches “Wir beobachten Vögel” aus dem Dänischen (1966, 31970). S. war Mitglied des Redaktionsbeirates der Zeitschrift Der Falke und von 1951 bis zu seiner Emeritierung 1971 Vorsitzender des Zentralen Fachausschusses “Ornithologie und Vogelschutz” im Kulturbund der DDR.

Werke: Untersuchungen über die Funktion der Herbst’schen Körperchen, in: Journal für Ornithologie 74, 1931, 374–415; (Hg.) Beiträge zur Kenntnis deutscher Vögel, 1961; Neuere Gesichtspunkte zur Physiologie des Vogelzuges, in: Beiträge zur Vogelkunde 9, 1963, 87–97; Aus der ornithologischen Arbeit in Magdeburg zwischen den beiden Weltkriegen, in: Apus 3, 1973, 1–9 (B); Holle Grell (Hg.), Einführung in die Ornithologie, 1982.

Literatur: Hdb. der Deutschen Wissenschaften, Bd. 2, 1949, 426; Werner Rautenberg, H. S. 1907–1976, in: Journal für Ornithologie 118, 113; Axel Siefke, In memoriam H. S., in: Der Falke 24, H. 9, 1977, 293 (B); ders., Fünfzig Jahre Vogelwarte Hiddensee, in: Berichte aus der Vogelwarte Hiddensee H. 1, 1981, 7–19.

Archivalien: Universitätsarchiv Greifswald: PA 2755.

Bildquelle: *Gerd Müller-Motzfeld, Magdeburg (privat).

Hermann Grünzel

letzte Änderung: 28.02.2005