Leitzmann, Karl Theodor Albert, Prof. Dr. phil.
geb. 03.08.1867 Magdeburg,
gest. 16.04.1950 Jena,
Germanist, Hochschullehrer.

L., zweiter Sohn des Lehrers Karl Hermann L., kam 1877 an das Pädagogium zum Kloster Unser Lieben Frauen, wo sein Vater seit den 1850er Jahren unterrichtete. Sein Interesse galt zunächst der Geographie und Geschichte, zur deutschen Literatur gelangte er über das Studium des Mittelalters. Ebenfalls noch in seiner Vaterstadt erfuhr er bei Julius Meyer und  Christian Friedrich Ehrlich eine musikalische Ausbildung. 1886 ging L. zum Studium nach Freiburg/Breisgau, wo er bei  Hermann Paul hörte. Nach einem Aufenthalt in Berlin 1887/88 erwarb er sich 1889 in Freiburg mit einer Untersuchung “Zur Laut- und Formenlehre von Grieshabers Predigten” den Doktor-Titel. 1891 wurde L. an der Universität Jena habilitiert. Im folgenden Jahr heiratete L. die später auch als Dichterin hervorgetretene Else Altwasser. 1894 erhielt er eine Anstellung als Assistent am Goethe- und Schiller-Archiv zu Weimar, ab 1898 lehrte er in Jena als außerordentlicher, seit 1923 als ordentlicher Professor der Germanistik, in den Jahren 1930–35 schließlich als Lehrstuhlinhaber. Die Preußische Akademie der Wissenschaften verlieh ihm 1928 die silberne Leibnizmedaille. Gustav Roethe erschien der junge Dr. L. als “ein einsiedlerischer, verschlossener Mensch; sehr fleißig, sehr unterrichtet und recht gescheit, auch vielseitig und bestrebt, unbedingt das Gesamtgebiet [der Germanistik] zu umspannen” (Ruprecht, 1992, 178). Tatsächlich sollte sich L. in der Folge zwar vor allem Goethes Zeitgenossen widmen – Georg Forster, Lichtenberg, Heinse, Wilhelm von Humboldt, Mozart und Beethoven –, aber eben auch Dichtern anderer Epochen wie Wolfram von Eschenbach und Fischart. Die rastlose, bis in die 1940er Jahre reichende Herausgebertätigkeit L.s blieb bis zuletzt unverkennbar dem philologischen Positivismus des späten 19. Jahrhunderts verpflichtet. Daß der als “Dr. Allwissend” (Max Hecker an L. am 01.09.1942) geschätzte Gelehrte äußerst wenig Eigenes veröffentlichte, weckte schon zu Lebzeiten Vorbehalte. Die Arbeiten des passionierten Pedanten waren stets verdienst- und selten geistvoll. Manche immerhin sind für die Germanistik unverzichtbar und werden es voraussichtlich noch lange Zeit bleiben, was man von den meisten hochtönenden Erzeugnissen der zeitgenössischen “Geistesgeschichte” nicht sagen kann. Seine Bibliothek (knapp 10.000 Bände) verkaufte L. kurz vor seinem Tode an die durch einen alliierten Bombenangriff teilweise zerstörte Universitätsbibliothek Jena, die bald darauf auch seinen handschriftlichen Nachlaß übernehmen konnte.

Werke: Untersuchungen über Berthold von Holle, 1891; Wilhelm von Humboldts Sonettdichtung, 1912; Wilhelm von Humboldt. Charakteristik und Lebensbild, 1919; Fischartiana, 1924.

Nachlaß: Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Literatur: NDB 14, 176f.; Riemann 111929; Ulrich Kaufmann/Helmut Stadeler, “… ein glücklicher Zufall, dem planmäßiges Suchen vorausging”. Die Lichtenberg-Forschungen des Jenaer Germanisten A. L., in: Lichtenberg-Jb. 1992, 171–177 (B); Dorothea Ruprecht, Zur Persönlichkeit A. L.s, ebd., 178f.; Ulrich Joost, L., die Deutsche Philologie und die Geschichte, ebd., 179–183; Dietrich Germann, Bibliographie A. L. (Ms. im N.).

Bildquelle: ULB Jena, Kustodie (Ölgemälde).

Reinhard Markner

letzte Änderung: 10.02.2005