Winter, Carl Georg
Ludwig, Dr. phil. |
Nach dem Abitur 1873 in Breslau studierte W. Philologie und Geschichte in Breslau und ab 1875 in Berlin. Hier erhielt er 1877 bei Leopold von Ranke die Stelle eines wissenschaftlichen Hilfsarbeiters, die er über die Promotion 1878 in Göttingen hinaus bis zu seinem Dienstantritt im Oktober 1879 beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin behielt. Er begann seine Archivlaufbahn als Hilfsarbeiter mit einer Probezeit von zwei Monaten ohne Gehalt. Als Archivassistent wurde er 1881 an das Staatsarchiv Düsseldorf versetzt. Bereits Ende 1882 erfolgte die Versetzung als Archivsekretär an das Staatsarchiv Marburg und 1885 die Beförderung zum Archivar zweiter Klasse. 1892 wurde er in gleicher Eigenschaft an das Staatsarchiv Magdeburg versetzt und 1894 zum Archivar erster Klasse ernannt. Ab 1896 war er im Staatsarchiv Stettin tätig. Er erhielt Ende 1898 den Titel eines Archivrates. 1901 wurde er zum Staatsarchivar in Osnabrück und 1903 zum Archivdirektor bestellt. Die Mißbilligung seiner lebhaften politischen Tätigkeit, seiner 1904 geübten Kritik an den in der Heeresverwaltung bestehenden Zuständen und an politischen Maßnahmen durch den Präsidenten des Staatsministeriums und den Oberpräsidenten in Hannover führte 1906 zur Versetzung auf die freigewordene Stelle des Archivdirektors in Magdeburg. W. bekam 1910 den Titel Geheimer Archivrat verliehen. Als Nachfolger von Eduard Ausfeld übernahm er in Magdeburg zunächst die Aufgabe, bei der Errichtung des Archivneubaues mitzuwirken. Bereits vier Wochen nach Dienstantritt besichtigte er im November 1906 vor dem Baubeginn im März 1907 die neuen Staatsarchive in Breslau und Danzig. Er nutzte den Umzug des Archivs in das neue Gebäude in der Augusta- bzw. Hegelstraße 1908 für eine bis heute in den Grundlagen gültige Neugliederung der Bestände und den Entwurf einer Bestandsübersicht. Außerdem sah W. eine dringende Aufgabe in der Inspektion der Stadtarchive und der anderen nichtstaatlichen Archive. Sein bis heute im Benutzersaal des Archivs sichtbares Motto für das Staatsarchiv lautet: Labor ipse summa voluptas (Die Arbeit selbst ist der höchste Genuß). Als nationalliberal gesinnter Politiker mit einer glänzenden Rednerbegabung bekämpfte W. den Antisemitismus und kritisierte insbesondere den Kriegsminister 1904 mit dem von der Presse verbreiteten Vortrag “Die Juden im Heere”. Er kandidierte für die Nationalliberale Partei 1907 für den Reichstag im Wahlkreis Eisenach als gemeinsamer Kandidat aller Liberalen, 1908 für den Landtag im Wahlkreis Mühlhausen-Langensalza-Weißensee und 1910 bei der Reichstagsersatzwahl in Frankfurt/Oder. Er verstand seine Partei als eine staatserhaltende Institution mit eindeutiger Gegnerschaft zur Sozialdemokratie. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten belegt sein Schaffen als Historiker. Herausragend sind seine Biographien “Hans Joachim von Ziethen” (2 Bände, 1886), “Friedrich der Große” (2 Bände, 1907) sowie seine “Geschichte des Dreißigjährigen Krieges” (1893). W. war Mitglied der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt und Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde des Herzogtums und Erzstifts Magdeburg. Für den Deutschen Vortragsverband hielt er viele Vorträge bei Vereinen in West- und Mitteldeutschland.
Literatur: Wer ist’s 4, 1909; Leesch 2, 672; Adolf Hinrichsen, Das literarische Deutschland, 1888, 693f.; Georg Liebe, G. W., in: GeschBll 47, 1912, 169f.
Bildquelle: *LHASA.
Norbert Wehner
letzte Änderung: 02.03.2005