Wahnschaffe, Wilhelm Ludewig August
geb. 17.01.1768 Hessen/Kreis Halberstadt,
gest. 24.05.1844 Hakenstedt/Kreis Neuhaldensleben,
Domänenpächter, Unternehmer, Drost/Oberamtmann, Patriot.

Der dem Hause Hessen der Familie W. entstammende Sohn des Oberamtmanns Johann Georg Engel W. in Hessen und Enkel des Drosten Georg Wilhelm W. in Üplingen lebte und wirkte auf dem braunschweigischen Klostergut Hakenstedt. Als Jugendlicher konnte er das Projekt “Trockenlegung des Großen Bruches” und die Ausweitung der Pachtungen landwirtschaftlicher Betriebe miterleben und weiterverfolgen. Nach der Übernahme des Klostergutes Hakenstedt 1795 widmete er sich als Oberamtmann dieses Ortes der landwirtschaftlichen Entwicklung mit moderner Fruchtwechselwirtschaft und Erhöhung der Fruchtbarkeit der Böden durch intensive Beweidung von Schafen. Als fortschrittlicher Landwirt stellte W. oftmals seine Erfahrungen staatlichen Stellen zur Verfügung. Auf dem Gebiet der in Deutschland beginnenden Industrialisierung und Energiewirtschaft leistete W. Pionierarbeit. 1801 erwarb er die braunschweigisch-helmstedtische Braunkohlengrube “Tanzbleek” vom Bergwerks-Entrepreneur Johann Moritz Friedrich Koch (ehemaliger Kandidat der Theologie) und betrieb diese mit landesherrlicher Genehmigung 16 Jahre. Durch hohe Wasserzuflüsse am Rand der Elms und im Gebiet der heutigen Stadt Helmstedt gelang es zunächst mit dem damals üblichen Roß-Tretrad nicht, die Grundwasser in der Grube zu beherrschen. Erst der Einsatz einer von James Watt entwickelten Dampfmaschine als technischer Neuheit führte zur Lösung der Grundwasserprobleme. Trotz grundsätzlichem Interesse der braunschweigisch-herzoglichen Regierung für den Einsatz von Braunkohle in Ziegeleien, Brauereien und Brennereien war keine Steigerung des Kohleabsatzes möglich, weshalb nach Ablauf der Gewinnungskonzession von Koch die Braunkohlengrube an den braunschweigischen Staat verkauft wurde. W. war somit Wegbereiter des noch heute bestehenden Helmstedter Braunkohlenreviers. Nach dem Frieden von Tilsit und dem Übergang der linkselbischen Herzogtümer Magdeburg und Braunschweig an das französische Königreich Westfalen unterbreitete der französische General Antoine-Jean-August-Henri Durosnel W. ein Kaufangebot für das Klostergut Hakenstedt, was dieser jedoch ablehnte, um eine persönliche Bereicherung zum Nachteil des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg auszuschließen. Im Freiheitskrieg 1813/14 schloß sich W. dem preußischen Freiheits-Korps des Oberst Friedrich Karl Freiherr von Tettenborn an. Er wirkte aktiv im militärisch-politischen Widerstand in Hamburg/Mecklenburg mit und richtete sein Haus als eine Zentrale des Widerstandes der Alliierten gegen Frankreich und zur Unterstützung bei der Belagerung der Festung Magdeburg durch den preußischen General Friedrich August Ludwig von der Marwitz ein. Für seine Dienste wurde W. vom Herzog von Braunschweig-Lüneburg mit dem Titel eines Drosten und vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. mit dem Roten Adlerorden ausgezeichnet.

Literatur: Wilhelm Eule, Der Herzog probiert einen Wispel Kohle. Kandidat Koch in Nöten, in: Zwei Jahrhunderte. Bergbau im Revier der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke, 1937, 21f.; 100 Jahre Braunschweigische Kohlen-Bergwerke, in: Bergbau, H. 8, 1973, 177–188; Rolf Volkmann, Johann Moritz Friedrich Koch 1769–1856. Lebensbild eines Helmstedter Unternehmers, 1974; Hans Wätjen, Geschichte der Familie W., Ms. 1974.

Horst Wahnschaffe