Hindenburg, Carl
geb. 11.08.1820 Magdeburg,
gest. 06.04.1899 Magdeburg,
Kaufmann, Radsport-Pionier.

Als 1868 die ersten Velozipede – vermutlich aus Paris – in der Elbestadt auftauchten, zeigte der Magdeburger Kaufmann H. sofort großes Interesse. Diese aus Holz mit Eisenreifen gefertigten Gefährte inspirierten ihn schließlich dazu, im Herbst 1869 auf dem Werder, u. a. mit Adolf Mittag, den Magdeburger Velozipeden Club zu gründen. Der Clubbildung vorausgegangen war eine bereits seit dem Frühjahr 1869 bestehende Vereinigung von Sportfreunden, die in einem Exerzierschuppen am Ulrichsgraben mit sogenannten “Michaux’schen Velocipeden” das Radfahren bekannt machten. Der Club war nach dem Altonaer Bicycle-Club und dem Münchner Velocipeden-Club der dritte in Deutschland. Er setzte sich die Beherrschung und Verbreitung des Radfahrens zum Ziel, worauf bereits Weihnachten des Jahres 200 Velozipede des ersten Serienherstellers Deutschlands, Heinrich Büssing in Braunschweig, geliefert wurden. Man trat zunächst dem Deutsch-Österreichischen- Velozipedenverband bei. Bekannt wurde der Magdeburger Velozipeden Club durch Kunstradfahrdarbietungen, die in regelrechten Radoperetten gipfelten. Andere Vereine aus ganz Deutschland kamen, um von den Magdeburgern zu lernen. Als sich 1884 alle Splitterverbände in Leipzig auf einen deutschen Dachverband einigten, wurde H. zum ersten Vorsitzenden des heute noch existierenden Bunds Deutscher Radfahrer (BDR) gewählt. Infolge der Wahl legte er die Leitung des Magdeburger Velozipeden Club nieder, wurde jedoch in Anerkennung seiner Verdienste zu dessen Ehrenvorsitzenden ernannt. Die Einhelligkeit, mit der H. in den folgenden acht Bundestagen des BDR als erster Vorsitzender wiedergewählt wurde, beweist, daß er zu dieser Zeit der richtige Mann in der Führung des großen Verbandes war. Nicht weniger bekannt war auch H.s Name auf dem Gebiet der Sportliteratur, die er durch die Herausgabe seines Festalbums für Radfahrer sowie diverser Festspiele in schätzenswerter Weise bereichert hat. Nachdem H. den Bund von 1884 bis 1893 als Präsident geführt hatte, wurde er auch hier Ehrenpräsident. Als sein Lebenswerk muß die Aktivierung einer völlig neuen Sportart, des Radsports, die Popularisierung des Fahrrades überhaupt und die Stimulierung eines ganzen Industriezweiges, wie Fahrrad- und Reifenfabriken, gesehen werden. H. war auch Förderer des Radfahrens für Frauen, ein damals äußerst umstrittenes Unterfangen. Die letzten Jahre seines Lebens nutzte er, um für den BDR und seine vielen Sportarten zu werben. Man sah in ihm eine Vaterfigur, und eine Umfrage des größten damaligen Fachblattes wählte ihn 1893 zum beliebtesten und verdienstvollsten Mitglied des BDR. Als H. starb, wurde er unter großer Anteilnahme auf dem Begräbnisplatz in Magdeburg-Friedrichsstadt beigesetzt. Aus Anlaß der Bundestage 1900 und 1924 fanden Ehrungsveranstaltungen statt. Später geriet sein Name in seiner Heimatstadt zunehmend in Vergessenheit. Aus Anlaß seines 100. Todestages wurde H. am 09.04.1999 an seiner neu gestalteten Grabstätte mit einer Feierstunde im Beisein von Radsportfreunden und Vertretern der Stadt geehrt.

Literatur: Fachzss. Deutscher Radfahrer-Bund, 1888–93; Paul von Salvisberg (Hg.), Der Radfahrsport in Bild und Wort, 1897 (Repr. 1980); Radsport-Sportalbum der Radwelt, 1902, 71; Wolfgang Griese, 100 Jahre Bund Deutscher Radfahrer, 1984, 22; Thomas Lemm, Auf den Spuren der Magdeburger Radgeschichte, in: Radverkehrskonzeption, hg. vom Stadtplanungsamt, H. 9, 1995, 8–21; Sammlung Günter Grau, Sandbeiendorf (privat).

Bildquelle: *ebd.

Günter Grau

letzte Änderung: 09.02.2005