Weinert, Erich
Bernhard Gustav |
W. war Sohn eines Ingenieurs. Geprägt wurden seine weltanschaulichen und politischen Ansichten durch den sozialdemokratisch eingestellten Vater. W. besuchte die Knabenbürgerschule und lernte in Magdeburg in der Buckauer Maschinenfabrik von Rudolf Wolf den Beruf des Lokomobilbauers. Mit der Schulentlassung 1904 erhielt er auch die Jugendweihe. Von 1908 bis 1910 besuchte er die Maler- und Graphikerklasse der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg. Sein Studium beendete er 1912 mit dem Staatsexamen als akademischer Zeichenlehrer an der Königlichen Kunstschule in Berlin. Nach kurzer freiberuflicher Tätigkeit wurde W. zum Militärdienst einberufen und nahm als Offizier am I. Weltkrieg teil. Abgestoßen vom Kriegsgeschehen, begrüßte W. die revolutionären Ereignisse von 1917/ 1918. Gemeinsam mit anderen jungen Magdeburger Künstlern gründete W. die spätexpressionistische Künstlergemeinschaft Die Kugel. Anfang 1920 veröffentlichte er in der gleichnamigen Zeitschrift erstmals einige Gedichte. Neue künstlerische Wirkungsmöglichkeiten fand er als Schauspieler und Vortragskünstler in Leipzig. Im Kabarett Retorte feierte er ab Mai 1921 großen Erfolg und konnte seine Kabarett-Texte unter dem Titel “Der verbogene Zeitspiegel” und “Der Gottesgnadenhecht und andere Abfälle” veröffentlichen. Ab 1923 trat W. im Berliner Künstlercafé Küka auf. Seine Texte gewannen an satirischer und politischer Schärfe. W. versuchte die satirische Dichtung eng mit der Volksdichtung zu verknüpfen. Seine Texte schrieb er in einfacher, eingängiger sprachlicher Form, änderte oft noch während des Vortrags und wollte auf Massenversammlungen ein breites Publikum, vor allem ein Arbeiterpublikum, erreichen. W. sprach regelmäßig im Rundfunk und veröffentlichte Gedichte, Glossen, Anekdoten und Parodien in vielen linksbürgerlichen und kommunistischen Zeitschriften. Auf Grund der hohen Wirksamkeit seiner Vortragsabende erhielt W. in Preußen Redeverbot (“Lex W.”). Er war Mitbegründer des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller und trat 1929 in die KPD ein. 1933–1935 folgte das Exil in der Schweiz und in Frankreich. Die Nationalsozialisten vernichteten seine unveröffentlichten Dramen und Gedichte. W. wurde steckbrieflich gesucht, trat aber trotzdem noch 1935 im Saargebiet auf antifaschistischen Versammlungen auf. Mit Frau und Tochter emigrierte W. in die Sowjetunion. Er wurde dort in die stalinschen Säuberungsaktionen hineingezogen, nahm mit anderen Schriftstellern (Friedrich Wolf, Willi Bredel) an den Versammlungen der Moskauer Parteigruppe der KPD teil, in denen über das Verschwinden und die Verurteilung von deutscher Künstlern diskutiert wurde, ohne an der stalinschen Politik zu zweifeln. 1937 bis 1939 war W. Frontberichterstatter und Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien. Zurück in der Sowjetunion, arbeitete er als Übersetzer und Nachdichter. Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion war W. als Propagandist in der Roten Armee u. a. auch an der Stalingrader Front eingesetzt. Seine Gedichte wurden in großer Auflage auf Flugblättern gedruckt und hinter den deutschen Linien abgeworfen. 1943 wurde W. zum Präsidenten des Nationalkomitees “Freies Deutschland” gewählt und wandte sich in dieser Funktion aufklärerisch in Kriegsgefangenenlagern, über Presse und Rundfunk an die deutschen Soldaten und ihre Angehörigen. 1946 kehrte W. nach Deutschland zurück. Trotz schwerer Krankheit arbeitete er als Vizepräsident der Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone. Kurz vor seinem Tode gab W. ein Erinnerungsbuch des Malers Heinrich Vogeler heraus, mit dem er im Moskauer Exil freundschaftlich verbunden war. Als Satiriker und Lyriker konnte W. im Exil und in der Nachkriegszeit nicht an seine Erfolge in den 1920er und 1930er Jahren anknüpfen. W. trug maßgeblich zur Profilierung der politischen und satirischen Lyrik in der Weimarer Republik bei und war ein wichtiger Vertreter der proletarisch-revolutionären Literaturbewegung in dieser Zeit. Durch sein antifaschistisch-politisches Engagement, sein Bestreben, möglichst direkt mittels der Dichtung auf einfache Menschen einzuwirken, enthielt seine Lyrik sehr starke agitatorisch-propagandistische Elemente. Sein poetisches Konzept ließ sich im geteilten Deutschland nur noch bedingt umsetzen.
Werke: Li W. (Hg.), Gesammelte Werke (9 Bde), 1955–1960; Rudolf Engel (Hg.), E. W. erzählt, 1955; Das Nationalkomitee “Freies Deutschland”, 1957; Gesammelte Gedichte, hg. von der Akademie der Künste der DDR (7 Bde), 1970–1987.
Nachlaß: Findbuch des literarischen Nachlasses, Akademie der Künste der DDR, 1959.
Literatur: Wer war wer DDR, 899f.; E. W. Dichter und Tribun, hg. von der Akademie der Künste der DDR, 1965; Werner Preuß, E. W. Sein Leben und Werk, 1970, 71985; Dieter Posdzech, Das lyrische Werk E. W.s, 1973.
Bildquelle: *Archiv des Literaturhauses Magdeburg.
Gisela Zander
letzte Änderung: 02.03.2005