Möllenberg, Walter, Dr.
phil. |
Der Lehrersohn studierte 1899–1902 Geschichte, Germanistik und Nationalökonomie in Halle, wo er 1902 bei Theodor Lindner über “Bischof Gunther von Bamberg” promovierte. Nach einer Volontärzeit an den Staatsarchiv Magdeburg und Marburg legte er 1905 am Preußischen Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem die Prüfung für Archivaspiranten ab. Seine berufliche Laufbahn führte ihn über das Stadtarchiv Buxtehude, das Archiv der Mansfeldschen Kupferschieferbauenden Gewerkschaft in Eisleben an das Staatsarchiv Münster und zuletzt Königsberg, wo er 1912 zum Archivrat ernannt wurde. Seine Versetzung an das Staatsarchiv Magdeburg zum 01.10. desselben Jahres erfolgte auf eigenen Wunsch. Er war von 1923 bis zu seiner Amtsenthebung im Dezember 1945 dort Archivdirektor; 1923 wurde er zum Vorsitzender der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt gewählt, bald darauf auch zum Vorsitzenden des Magdeburger Geschichtsvereins und des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und Anhalts. Ab 1938 oblag ihm die Leitung der dem Staatsarchiv angegliederten Archivberatungsstelle. An der Universität Halle-Wittenberg hatte er 1937 einen Honorarauftrag für Historische Hilfswissenschaften erhalten, der 1938 in einen Lehrauftrag umgewandelt wurde. M. war Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt und Förderndes Mitglied der Thüringischen Historischen Kommission zu Weimar sowie der Sächsischen Kommission für Geschichte zu Dresden. Der frühen Mitarbeit an Editionen zur Reformationsgeschichte (Politisches Archiv des Landgrafen Philipp von Hessen, 1904; Dr. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 18, 1908) folgten als Frucht der Arbeiten im Mansfelder Bergbauarchiv die viel beachteten Publikationen über “Die Eroberung des Weltmarktes durch das Mansfeldische Kupfer” (1911), “Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte” (1914) und das “Urkundenbuch zur Geschichte des Mansfeldischen Saigerhandels im XVI. Jahrhundert” (1915), danach zahlreiche quellenkritische Monographien und Studien zur Rechts-, Kultur- und Geistesgeschichte des mitteldeutschen Raumes zwischen Thüringer Wald, Mittlerer Elbe, Unterer Saale und Harz, in welchem M. eine – bei aller Vielfalt im einzelnen – geschichtliche Einheit zu erkennen glaubte. Als Archivdirektor und Vorsitzender der bedeutendsten regionalen Geschichtsvereine mit Sitz am Staatsarchiv Magdeburg galten seine wissenschaftlichen Intentionen nachdrücklich der Förderung der Landesgeschichte. Das Staatsarchiv, dessen Bibliothek ihm für diesen Zweck einen bedeutenden Literaturzuwachs verdankt, wurde zu einem Mittelpunkt landesgeschichtlicher Forschung. Sie erreichte unter M. ihre bisher größte wissenschaftliche und öffentliche Wirksamkeit, vorrangig über die Historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt (ab 1934: Landesgeschichtliche Forschungsstelle); allein von 1925 bis 1940 erschienen mehr als 21 Bände der “Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt”, Neue Reihe, darunter das unter Mitarbeit von M. durch Friedrich Israel bearbeitete “Urkundenbuch des Erzstifts Magdeburg” (Tl. 1, 1937), der “Mitteldeutsche Heimatatlas” und die fünfbändigen “Mitteldeutsche Lebensbilder” (1926–30). Mit Robert Holtzmann rief M. das Jahrbuch der Historischen Kommission “Sachsen und Anhalt” (1925–1943; ab Bd. 8, 1932, von M. allein herausgegeben) ins Leben; es zählte mit seinen Aufsätzen, Anzeigen und Besprechungen bald zu den führenden landesgeschichtlichen Zeitschriften Deutschlands und trug maßgeblich zum Verständnis der Provinz Sachsen und Anhalts als Geschichtslandschaft bei. Nach 1933 zunehmend mit Auswertungsanforderungen des nationalsozialistischen Regimes, insbesondere zur Sippenforschung und Erbhofrecherche, konfrontiert, hielt M. seinen wissenschaftlichen Anspruch aufrecht. An Stelle einer vom Reichssippenamt geforderten Reihe “Quellen zur Sippenforschung” erschien die “Übersicht über die Bürgerbücher in der Provinz Sachsen” (Sachsen und Anhalt 13, 1937, 310–324). Der II. Weltkrieg erforderte bei einem durch Einberufung zur Wehrmacht reduzierten Fachpersonal die verstärkte Konzentration auf archivische Aufgaben, ab 1942 speziell auf die Sicherung der Archivbestände vor Luftangriffen durch Auslagerung (ca. 65 Prozent) vorwiegend in den Salzschächten von Bernburg, Schönebeck und Staßfurt. Kriegsbedingte Einschränkungen brachten 1943 auch die Publikationstätigkeit der Historischen Kommission zum Erliegen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur hat sich M. bis zu seiner Entlassung aus dem Archivdienst für das Fortbestehen der Historischen Kommission eingesetzt. Die 1990 wiedergegründete Historische Kommission für Sachsen-Anhalt führt in der Tradition ihrer großen Vorgängerin das Jahrbuch “Sachsen und Anhalt” mit Band 18 (1994 ff.) und die “Geschichtsquellen der Provinz Sachsen …” in der neuen Reihe “Quellen und Forschungen zur Geschichte Sachsen-Anhalt” (2000 ff.) in moderner Form fort.
Werke: Bibliographie, in: Otto Korn (Hg.), Zur Geschichte und Kultur des Elb-Saale-Raumes. Fs. für W. M., 1939, 1–11 (B).
Nachlaß: LHASA: Rep. C 22, Nr. 298 (PA).
Literatur: NDB 17, 627f.; Leesch 2, 410; KGL 1940/41, II, 204; DBE 7, 1999, 166; Hanns Gringmuth-Dallmer, Nachruf W. M., in: Der Archivar 5, 1952, Sp. 35–38; Hellmut Kretzschmar, Nachruf W. M., in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 90, 1953, 358f.
Bildquelle: *LHASA.
Josef Hartmann
letzte Änderung: 28.02.2005