Weitling (Weidling), Wilhelm Christian
geb. 05.10.1808 Magdeburg,
gest. 22.01.1871 New York (USA),
Schneider, Arbeiterführer,
erster deutscher Theoretiker des Sozialismus (Handwerkerkommunismus).

Nach der Erlernung des Damenschneiderberufs in Magdeburg wanderte W. als Handwerksbursche von 1826 bis 1837 durch mittel- und süddeutsche Staaten mit längeren Aufenthalten in Leipzig und Wien sowie nach Paris, wo er dem geheimen Bund der Geächteten beitrat. Er begründete, seit 1837 in Paris und anschließend seit 1841 in der Schweiz, die revolutionär- kommunistische, mit Elementen eines christlichen Sozialismus verbundene Programmatik des Bundes der Gerechten. Seine Hauptschriften “Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte” (Paris, 1838), “Garantien der Harmonie und Freiheit” (Genf, 1842) und “Das Evangelium eines armen Sünders” (Genf, 1843) erlebten mehrere Auflagen und Übersetzungen. In der Schweiz gründete W. die ersten von Arbeitern redigierten Zeitschriften, wie 1841 Der Hülferuf der deutschen Jugend und 1842 Die junge Generation. Wegen “Gotteslästerung” in seiner Evangeliums-Schrift wurde W. zu zehnmonatiger Gefängnishaft verurteilt und anschließend aus der Schweiz ausgewiesen. Im Juli/August 1844 hielt er sich in Magdeburg auf. Bei seiner Mutter in Beyendorf traf W. mit Mitgliedern der Magdeburger Gemeinde des Bundes der Gerechten zusammen, die seit Anfang der 1840er Jahre unter dem Deckmantel eines Lesezirkels bestand und 1846, nach Verhaftung von Schneider Alexander Beck, Buchbinder Friedrich August Behrens, Nadler Weiße, Böttcher Graebe und Buchbinder Weiße, aufgehoben wurde. W. mußte sich gegenüber den preußischen Behörden zur Auswanderung verpflichten. Auf Fürsprache von Oberbürgermeister August Wilhelm Francke wurde er mit Papieren und Geld zur Überfahrt nach Amerika versehen. Über Hamburg ging W. nach London, dem neuen Zentrum des Bundes, und 1846 weiter nach Brüssel. Sowohl bei der Bundes- Zentralbehörde als auch im von Karl Marx und Friedrich Engels begründeten “Kommunistischen Korrespondenzkomitee” stießen seine Vorstellungen von einem Gleichheitskommunismus und von der Vorbereitung auf eine kommunistische Revolution in Deutschland auf Kritik. W. begab sich Ende 1846 nach New York, kehrte aber nach Ausbruch der Revolution 1848 nach Deutschland zurück und agitierte für eine “rote Republik”. Er wirkte in Hamburg und Köln, kurzzeitig auch in Magdeburg und nahm im August am Arbeiterkongreß und im Oktober am zweiten Demokratenkongreß in Berlin teil. Anfang 1849 schloß sich W. der “Arbeiterverbrüderung” an. Nach seiner Flucht im August gab er in New York Arbeiterzeitungen heraus, u. a. 1850–55 Die Republik der Arbeiter. Später widmete sich W. technischen Erfindungen.

Werke: s. o.; Garantien der Harmonie und Freiheit, 1842 (neu hg. von Bernhard Kaufhold, 1955 und von Ahlrich Meyer, 1974).

Literatur: ADB 41, 624f.; BBKL 13, Sp. 699-705; Mitteldt. Leb 2, 267–290 (*B); Lexikon Biographien zur deutschen Geschichte von den Anfängen bis 1945, 1991, 535f.; Ernst Barnikol, W. der Gefangene und seine "Gerechtigkeit", 1929; Carl Wittke, The Utopian Communist. A Biography of W. W. Nineteenth-Century Reformer, 1959; Waltraud Seidel-Höppner, W. W. Der erste deutsche Theoretiker und Agitator des Kommunismus, 1961; Helmut Asmus, Die Anfänge der Magdeburger Arbeiterbewegung (1844–1849), in: Wissenschaftliche Zs. der Technischen Hochschule Magdeburg, 1968, 83–87; Wolfgang Hassel, Zum Aufenthalt W. W.s im Juli/August 1844 (in Magdeburg), in: Magdeburger Blätter 1983, 54–59; Waltraud Seidel-Höppner/Jakob Rokitjanski, W. in der Revolution 1848/49. Unbekannte Dokumente, in: Jb. für Geschichte 32, 1985, 65–170; Ilona Brditschke, W. W. – Leben, Werk und seine Zeit. Auswahlbibliographie, in: Beiträge zur Weitling-Forschung 1, Magdeburg, 1986 (W).

Helmut Asmus

letzte Änderung: 02.03.2005