Lenz, Joseph
geb. 28.08.1889 Hildesheim,
gest. 23.07.1969 Berlin-Steglitz,
Lehrer, Turner, Kommunalpolitiker, Stadtturnrat.

Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums Josephinum besuchte L. auch das Lehrerseminar in seiner Heimatstadt. Nachdem er kurze Zeit als Lehrer in Twistingen bei Bremen tätig gewesen war und dann seine Militärdienstzeit absolviert hatte, wurde er 1913 Lehrer in Frankfurt/Main. Im Frühjahr 1914 legte er die Turnlehrerprüfung an der preußischen Hochschule für Leibesübungen in Spandau ab, im Sommer 1920 die staatliche Schwimmlehrerprüfung. 1920 bekam L. die neu eingerichtete Stelle des Turninspektors für das städtische Turn-, Sport- und Spielwesen in Frankfurt/Main übertragen. Damit verbunden war bis 1923 die Geschäftsführung des Ortsausschusses für Jugendpflege. Als Turninspektor gründete L. im Sommer 1922 die Volkshochschule für Leibesübungen in Frankfurt/Main. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Frankfurter Volkshochschule neben Berlin zur größten und finanziell sich selbst tragenden Weiterbildungseinrichtung dieser Art in Deutschland L. war 1. Vorsitzender des von ihm 1921 gegründeten Provinzialvereins Hessen-Nassau im preußischen und deutschen Turnlehrerverband und fungierte seit 1923 als technischer Leiter des Frankfurter Turnvereins von 1860. 1925 übernahm L. die seit dem Tode Carl Dankworths verwaiste und ausgeschriebene Stelle des Stadtturnrats und Direktor des Stadtamtes für Leibesübungen in Magdeburg. Gleichzeitig war er Dezernent des Ortsausschusses für Jugendpflege und der Volkshochschule. Auf der Basis seiner Frankfurter Erfahrungen entwickelte er vielfältige Tätigkeiten zur Hebung von Turnen und Sport in der Elbmetropole. Trotz bescheidener finanzieller Mittel entstanden unter seiner Leitung und Aufsicht neue Sportanlagen, wurden turnerische und sportliche Übungsstätten ausgebaut und 1926 der Rettungsdienst beim Baden in der freien Elbe eingerichtet. Innovativ für Magdeburg war die von ihm begründete Volkshochschule für Leibesübungen (seit September 1930 Institut für Leibesübungen), die 1925 im Rahmen der Volkshochschule eröffnete wurde. Sie hatte den Zweck, große Teile des Volkes durch billige theoretische und praktische Kurse für Turnen und Sport zu interessieren und geeignete Personen für die Turn- und Sportvereine als ehrenamtliche Hilfskräfte auszubilden. Durch L.s Bemühungen konnten dazu auch führende Persönlichkeiten des Sports, der Sportwissenschaften und Leibeserziehung wie Hermann Altrock, Erich Klinge, Carl Diem, Niels Bukh und Jans Peter Müller für Vorträge und Demonstrationen gewonnen werden. Er selbst hielt die Kurse “Ausgleichsgymnastik für Frauen bzw. Herren”. Fruchtbar waren seine Bestrebungen zur Vereinheitlichung und Modernisierung des Magdeburger Schulturnens. An zwei Schulen, in der III. Volksknabenschule und der Buckauer Versuchsschule, wurde 1926 die tägliche Turnstunde versuchsweise eingeführt. 1931 trat ein neuer einheitlicher Lehrplan für die körperliche Erziehung an allen Schulen in Kraft. Im Oktober 1932 entstand unter L.s Leitung eine Arbeitsgemeinschaft zur Einführung des neuzeitlichen Schulturnunterrichts (“Natürliches Turnen”). Auch die Verbindlichkeit des Schwimm-Unterrichts seit 1926 war sein Verdienst. Als Vorsitzender des Republikanischen Clubs in Magdeburg gehörte L. seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu den mißliebigen Beamten. Gemäß des sogenannten Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurde er im April 1933 aus seiner beruflichen Stellung entfernt und zog nach Berlin. Nach dem II. Weltkrieg arbeitete er dort als Abteilungsleiter in einer Verwaltungsstelle. Er wurde später Leiter des Amtes für Volksbildung im Verwaltungsbezirk Wedding. 1951–59 war L. Bezirkstadtrat in Berlin-Neukölln. Als Mitglied der SPD gehörte er dem (West-)Berliner Abgeordnetenhaus an.

Werke: Aufgaben der Stadt Magdeburg auf dem Gebiete der Schaffung und des Ausbaus turnerischer und sportlicher Uebungsstätten, in: Magdeburger Amtsblatt, 1925, 623–625; Das Stadtamt für Leibesübungen in Magdeburg, in: ebd., 1927, 751–753; Lehrplan für die körperliche Erziehung an Knaben- und Mädchenschulen, 1931 (mit Käte Holtschmit).

Literatur: Personalnachrichten, in: Magdeburger Amtsblatt, 1925, 154f.; Willy Gorzny (Hg.), Deutscher Biographischer Index, Bd. 5, 21998, 2085.

Michael Thomas

letzte Änderung: 10.02.2205