Fischer, Albert Friedrich Wilhelm, Dr. theol. h.c.
geb. 18.04.1829 Ziesar,
gest. 27.04.1896 Lemsdorf bei Magdeburg,
evangelischer Pfarrer, Hymnologe.

F., als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Ziesar geboren, wuchs in Hohendodeleben bei Magdeburg auf, absolvierte das Domgymnasium in Magdeburg und studierte 1849–52 in Halle evangelische Theologie. F. war zunächst – wie damals bei Theologen üblich – als Lehrer tätig: kurze Zeit als Hauslehrer, als Rektor einer Mädchenschule in Schönebeck und zuletzt – bevor er in ein Pfarramt berufen wurde – als Gymnasial-Lehrer in Gütersloh. 1858 zum Pfarrer ordiniert, wurde er 1859 in seine erste Pfarrstelle an der Schloßkirche in Quedlinburg berufen, 1861 wurde er Pfarrer in Althaldensleben, 1867 Oberpfarrer und Superintendent in Ziesar. Nach Groß-Ottersleben bei Magdeburg, seiner Hauptwirkungsstätte, wurde F. 1877 als Oberpfarrer berufen. Fast 20 Jahre – bis zu seiner Pensionierung aus gesundheitlichen Gründen im Januar 1896 – hatte er diese große Pfarrstelle inne. Ab 1873 – F. hatte 1860 geheiratet und bereits für acht Kinder zu sorgen – bemühte er sich immer wieder um “besser dotierte” Pfarrstellen, weil er seinen fünf Söhnen den Besuch eines Gymnasiums ermöglichen wollte. Neben diesem familiären Grund wurde der Wechsel von Ziesar nach Groß-Ottersleben aus beruflicher Sicht notwendig. Die Überlastung durch das Doppelamt in Ziesar behinderte ihn in seiner umfangreichen wissenschaftlichen Arbeit als Hymnologe. Seit seiner Studienzeit widmete sich F. der Hymnologie, wobei er sich als Theologe im wesentlichen auf die Bereiche Textquellen und Gesangbuchgeschichte konzentrierte. Seine bedeutendsten Werke sind zwei Lexika, noch heute für jeden Hymnologen, auch über den deutschen Sprachraum hinaus, unentbehrliche Standardwerke. Das umfangreiche zweibändige “Kirchenliederlexikon” enthält “hymnologisch-literarische Nachweisungen über ca. 4.500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten … nebst einer Übersicht der Liederdichter”. Diese Lieder hatte F. aus ca. 73.000 ausgewählt. In der sechsbändigen Enzyklopädie “Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts” sollte die Geschichte des deutschen Kirchenliedes von 1570 bis 1750 dargestellt werden. Dieses große Werk konnte F. nicht vollenden, hinterließ aber bei seinem Tode umfangreiches wohlgeordnetes Material für den Zeitraum 1570–1680. Wilhelm Tümpel, F.s Nachfolger, beließ es bei diesem Zeitraum, so daß er bei den ersten fünf Bänden im wesentlichen als Herausgeber fungierte, den sechsten, den Registerband, erarbeitete Tümpel allein. Die Korrektur dieses sechsten Bandes war wenige Tage vor Tümpels Tod (1915) abgeschlossen. 1883 rief F. die Zeitschrift Blätter für Hymnologie ins Leben und war ab 1884 – zusammen mit Johannes Linke/Altenburg – ihr Herausgeber. In dieser und in zwei weiteren Zeitschriften Siona und Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg hat F. – neben zahlreichen anderen Artikeln – bereits ab 1869 immer wieder Forschungsergebnisse zur Geschichte der magdeburgischen Gesangbücher veröffentlicht und dabei zur Erforschung der Territorialgeschichte Magdeburgs beigetragen. Die Erarbeitung eines “neuen” Gesangbuchs für die Provinz Sachsen Anfang der 1870er Jahre hat F. zusammen mit  Friedrich Danneil äußerst kritisch begleitet und für seine eigene Gemeinde entschieden, daß weiterhin das “alte” Magdeburger Gesangbuch benutzt wird. Anerkennung als Wissenschaftler erfuhr F. 1884 durch die Verleihung der theologischen Ehrendoktorwürde der Universität Jena.

Werke: Zur Geschichte der magdeburgischen Gesangbücher, in: GeschBll 4, 1869, 218–251; ebd. 5, 1870, 181–206, 479–496; ebd. 6, 1871, 360–389; ebd. 7, 1872, 316–327; Die Ordnung der evangelischen Gottesdienste in der Metropolitankirche zu Magdeburg zu Anfang des 17. Jahrhunderts, in: ebd., 129–146; Zur Geschichte der Buchdruckerfamilie Faber in Magdeburg, in: ebd., 188ff.; Die Familie Müller (Faber) und Behle als Rivalen in der Herausgabe magdeburgischer Gesangbücher während des 18. Jahrhunderts, in: ebd. 9, 1874, 267ff.; Kirchenliederlexikon (2 Bde), 1878/79, Suppl. 1886, Nachdruck 1967; Das Allgemeine evangelische Gesang- und Gebetbuch von C. K. I. v. Bunsen, neu bearb. u. hg. 1881; Luthers Lieder, 1883; Die kirchliche Dichtung, hauptsächlich in Deutschland, 1892; Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts (6 Bde), 1902–1916, Nachdruck 1964.

Literatur: MGG 16, 290f. (W); BBKL 2, Sp. 39; Adolf Hinrichsen, Das literarische Deutschland, 1888, 154f. (W). 

Archivalien: AKPS: Rep. A, Spec. P, F 158 (PA).

Mechthild Wenzel

letzte Änderung: 19.08.2004