Paul, Elfriede, Prof. Dr. med. habil.
geb. 14.01.1900 Köln,
gest. 30.08.1981 Ahrenshoop,
Ärztin, Sozialmedizinerin, Ehrensenatorin.

Aufgewachsen in kleinbürgerlichen Verhältnissen - der Vater war Litograph-, wurde P. zunächst in Hamburg Lehrerin. 1926–33 absolvierte sie zusätzlich in Hamburg, Wien und Berlin als Werkstudentin ein Medizinstudium. Danach war P. am Hygiene-Institut der Universität in Berlin tätig und promovierte 1936. P. gehörte seit 1921 der KPD und seit 1946 der SED an. 1936 fand sie durch ihren Lebenskameraden Walter Küchenmeister Anschluß an die antifaschistische Widerstandsgruppe Rote Kapelle. Gemeinsam mit ihrem Lebenskameraden wurde sie 1942 verhaftet und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. An einer wissenschaftlichen Laufbahn im Nationalsozialismus wegen ihrer politischen Gesinnung gehindert, eröffnete P. 1936 in Berlin-Wilmersdorf eine Privatpraxis, die sie bis zu ihrer Verhaftung durch die Gestapo im Jahre 1942 führte. Nach der Entlassung aus der Haft war sie 1946 kurzzeitig Ministerin für Arbeit, Aufbau und Wohlfahrt des Landes Hannover, das 1946 zusammen mit den Ländern Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das Bundesland Niedersachsen bildete. 1947 siedelte P. nach Berlin (Ost) über. Hier half sie beim Aufbau des Gesundheitswesens. Ab 1951 widmete sich P. wieder der wissenschaftlichen Arbeit am Sozialhygiene-Institut und habilitierte sich 1954 in Berlin. 1956 erhielt P. den Ruf an die Medizinische Akademie Magdeburg, wo sie bis zum Jahre 1964 als Professorin lehrte und das Institut für Sozialhygiene mitbegründete und leitete. Nach der Emeritierung lebte sie in Ahrenshoop. Bis zum Jahre 1972 war sie noch als Vorsitzende der Sektion “Gesundheitsschutz der Frau” in der Gesellschaft für Sozialhygiene der DDR wissenschaftlich aktiv. Anläßlich ihres 80. Geburtstages wurde P. an der Medizinischen Akademie Magdeburg mit einem wissenschaftlichen Symposium gewürdigt und zur Ehrensenatorin der Medizinischen Akademie ernannt. Geprägt durch das eigene Erleben sozialer Ungleichheit galt das wissenschaftliche Interesse von P. vor allem dem Gesundheitsschutz der berufstätigen Frau und Mutter in den Betrieben und in der Landwirtschaft. Sie pflegte einen engen Kontakt zum kommunalen Gesundheitswesen und zur Bevölkerung in der Region. 1959 führte sie den “Medizinischen Sonntag” in Magdeburg ein und eröffnete 1961 die landesweit erste Ehe- und Familienberatungsstelle. In Magdeburg gehörte P. 1957–64 der Stadtverordnetenversammlung an. In der Person von P. vereinten sich die Ärztin, Widerstandskämpferin, Hochschullehrerin und Frauengesundheitsforscherin. Für ihre Leistungen wurde sie mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR in Gold, der Hufeland-Medaille und der Clara-Zetkin-Medaille geehrt.

Werke: Untersuchungen über die Ursachen und Dauer der Arbeitsunfähigkeit bei der Frau, Habil. 1956; Gesundheitsschutz der Frau in unserer Landwirtschaft, 1974 (mit Siegfried Kruschwitz/Siegfried Zunk); Gesundheitsschutz, 1979 (mit Renate Braun); Ein Sprechzimmer der Roten Kapelle, 1981, 31987.

Literatur: DBE 7, 573; Wer war wer DDR, 646; PMedizinisch-wissenschaftliches Symposium zur Entwicklung des Fachgebietes Sozialhygiene aus Anlaß des 80. Geburtstages von E. P., 1980; Nachruf in: Akademie-Zeitung vom 16.09.1981 (B); Uta Grumpelt, Das Wirken von E. P. am Lehrstuhl für Sozialhygiene der Medizinischen Akademie Magdeburg 1956–64, Diplom-Arbeit Magdeburg 1983 (L); Ulrike Parnitzke, Das Wirken von E. P. für den Gesundheitsschutz der berufstätigen Frau 1965–72, Diplom-Arbeit Magdeburg 1983 (L); Günter Albrecht/Wolfgang Hartwig (Hg.), Ärzte. Erinnerungen, Erlebnisse, Bekenntnisse, 61988, 93–117, 480–482; eter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Lexikon des Widerstandes 1933–1945, 1994, 145; Anna-Sabine Ernst, Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus. Ärzte und medizinische Hochschul-Lehrer in der SBZ/DDR 1945–1946, 1997, 360–365.

Bildquellen: KHM Magdeburg: Porträt von Bruno Beye; *Medizinische Akademie Magdeburg, Institut für Sozialmedizin.

Lieselotte Hinze

letzte Änderung: 02.03.2005