Fehse, Willi Richard
geb. 16.05.1906 Kassieck/Altmark,
gest. 02.03.1977 Göttingen,
Lehrer, Schriftsteller, Herausgeber, Theaterkritiker.

Von kleinbäuerlicher Herkunft, wählte F. den Lehrerberuf, absolvierte die Präparandenanstalt in Genthin, wo er durch Lehrer und Mitschüler zum Schreiben angeregt wurde. Bereits 1925 erschien sein erster Gedichtband “Frührot”. Nach dem Examen war er zunächst arbeitslos, dann ab 1926 als Erzieher in Berlin tätig und studierte nebenher an der Universität u. a. bei Max Dessoir und Eduard Spranger. Einer Zusammenarbeit mit Klaus Mann entstammt eine “Anthologie jüngster Lyrik” (1927). F. war zeitlebens in erster Linie Pädagoge. Das Didaktische, das sein gesamtes Schaffen durchzieht, fußt auf dem evolutionären aufklärerisch-optimistischen Gedanken, daß der Mensch durch Bildung und Erziehung humanisiert werden könne. Seine an Goethe und Thomas Mann orientierte Lebensmaxime lautete: “Lehren und Lernen kommen aus einer Wurzel.” F. wirkte vor 1945 als Lehrer in Magdeburg, Wernigerode und Thale. Zweimal wurde er in seinem Leben durch Diktaturen unter Druck gesetzt: die Nationalsozialisten warfen ihn aus dem Schuldienst, und 1948 floh er aus der Sowjetischen Besatzungszone, in der er nicht mehr frei arbeiten konnte. Er übte danach weiter seinen pädagogischen Beruf aus, zuletzt als Rektor der Hölty-Schule in Göttingen. Seiner eigenen Bildung dienten nach dem Krieg ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordafrika, den Vorderen Orient, durch Mexiko und die USA. Von diesen Reisen brachte er z. T. die Stoffe zu seinen zahlreichen historischen Arbeiten mit. In seinem epischen Werk dominieren mit Blick auf jugendliche Leser Kleinformen (Kurzgeschichten und Anekdoten), mit denen er sich breite Anerkennung erwarb, u. a. mit “Lächelnde Justitia” (1955) und “Heiteres Theater” (1961). F. nutzte auch die in seiner Zeit moderneren Medien wie den Rundfunk: Er schrieb Funkbilder und Hörspiele (das erste, 1932 mit Robert Stemmle verfaßt, behandelte unter dem Titel “Justizwillkür gesetzlich geschützt” einen politischen Justizskandal in Magdeburg), die z. T. für den Schulfunk entstanden. Zudem trat F. als Herausgeber von Anthologien zur Gegenwartsliteratur und mit Märchensammlungen hervor. In Göttingen begleitete er mit zahlreichen Theaterkritiken die Experimente Heinz Hilperts auf der Bühne des Deutsche Theaters. F. war Mitglied des PEN-Club.

Werke: Michael Marey und die Zerstörung Magdeburgs, 1931; Die Jagd nach dem Regenbogen, 1934; Alfinger sucht den goldenen Kaziken, 1938; Das Urlaubsmädchen, 1944; Unter Wüstenräubern, 1954; Der blühende Lorbeer. Dichteranekdoten, 1953; (Hg.) Deutsche Lyrik der Gegenwart, 1955; Magdeburg im Strom der Zeit, 1955; Die große Stunde im Leben genialer Erfinder, 1958; (Hg.) Deutsche Erzähler der Gegenwart, 1959; Von Goethe bis Grass. Biographische Portraits zur Literatur, 1963; Romeo im Tingeltangel, 1964.

Nachlaß: DLA Marbach; Maike Fabian, München (privat).

Literatur: Killy 3, 347; Kosch LL 4, Sp. 842f. (W); Günter Albrecht u. a. (Hg.), Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 1, 1974, 204.

Bildquellen: Maike Fabian, München (privat); *Zs. Spectrum des Geistes. Literaturkalender 20, 1971.

Klaus Washausen

letzte Änderung: 19.08.2004