Bethge, Otto
geb. 17.06.1855 Wanzleben,
gest. 13.08.1935 Wanzleben,
Abdecker, Heilpraktiker.

B.s Mutter (1824–1907) war als “weise Frau” und als sogenannte “Frau Gevatterin” bekannt, die mit “Wunderkuren” vielen geholfen hatte. Auch B. schien diese Fähigkeiten zu besitzen. Er übernahm 1890 die väterliche Abdeckerei und führte nebenbei bis 1907 gemeinsam mit seiner Mutter die Tätigkeit als Heilpraktiker durch. Die Patienten mußten ihren Urin in Flaschen mitbringen, den B. begutachtete. In Wanzleben und Umgebung erwarb er sich als “Wunderdoktor” einen Namen, auch “Wasserdoktor” genannt, wegen der auf dem Wege zur Abdeckerei liegenden Wasserflaschen (für Urin). Neben der Vermarktung der Abdeckereiprodukte konnte es B. – stets unauffällig mit einer grauen Joppe und einer farblosen Schirmmütze gekleidet – durch seine Rezepturen von Heilkräutern zu einem beachtlichem Vermögen bringen. Den Patienten diktierte er seine Verordnung zum Mitschreiben, wie z. B. “Fünferlei-Blutreinigungstee”, “Bittergallen-Magentropfen” oder “Mutterkrampftropfen”. Die Frage des Honorars wurde mit einem Blick auf eine Schale mit Geld beantwortet, da er weder Rezepte schreiben noch ein Honorar fordern durfte. Dafür würzte er die Konsultationen wie die Stammtischrunden mit Geschichten. So entstanden Anekdoten, die B. zum Wanzleber Original machten. Die Ratsapotheke Wanzleben hielt 28 Rezepturen von B. bereit. Die älteste Tochter B.s sollte diese Tätigkeit fortsetzen, verunglückte aber tödlich.

Literatur: Allgemeines Wanzlebener Kreisblatt Nr. 45, 1907; Nr. 96, 1935; Kuno Wolff, Zur Geschichte der Apotheke in Wanzleben, Ms. 1980 (StadtA Wanzleben);  Volksstimme vom 28.04.1992.

Gerd Gerdes

letzte Änderung: 01.02.2005