Rabbethge, Matthias Christian
geb. 01.03.1804 Klein Rodensleben,
gest. 26.12.1902 Klein Wanzleben,
Bauer, Zuckerfabrikant, Zuckerrübenzüchter.

Der Sohn des Landwirts Johann Rudolf R., jüngstes von sieben Geschwistern, mußte sehr früh in der väterlichen Landwirtschaft (50 Morgen) arbeiten. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er 1825 als jüngstes männliches Familienmitglied gemeinsam mit der Mutter diese Landwirtschaft und heiratete 1830. 1843 verkaufte R. seinen Hof und pachtete einen 200 Morgen großen Betrieb in Dreileben. 1847 beendete er diese Pachtverhältnis und kaufte in Klein Wanzleben einen 212 Morgen großen Hof, mit dem er gleichzeitig zehn Aktien der 1838 in Klein Wanzleben gegründeten Zuckerfabrik übernahm. Deren Gründer waren vier Ackermänner, sieben Halbspänner, drei Kossathen, je ein Schmiede-, Maurer- und Zimmermeister sowie zwei Gastwirte. R. erkannte bald die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Zuckerrübenanbaus und der Zuckerproduktion, in deren Verbindung er eine ideale Synthese von Industrie und Landwirtschaft sah, und begann, die Anteile der übrigen Aktionäre aufzukaufen. Auch R.s späterer Schwiegersohn Julius Giesecke, seit 1858 mit R.s Tochter Marie Elisabeth verheiratet, kam 1856 nach Klein Wanzleben und beteiligte sich am Aktienkauf. 1864 hatten beide sämtliche Aktien der Zuckerfabrik erworben und firmierten als Offene Handelsgesellschaft Rabbethge & Giesecke. R. bemühte sich um Verbesserungen in der Zuckerfabrik, vergrößerte die Rübenbasis für das Werk durch Erwerb oder Pachtung von großen Flächen Ackerlandes und legte so den Grundstein für einen der größten landwirtschaftlichen Betriebe der Provinz Sachsen. Vor allem strebte er nach einer besseren Rübenqualität. Seine Söhne Matthias jun. und Karl, denen er eine Hochschulausbildung angedeihen ließ, widmeten sich dieser Aufgabe auf wissenschaftlicher Basis. Die zur Samengewinnung zu benutzenden Rüben wurden ab 1859 mit Hilfe der Ermittlung des spezifischen Gewichtes nach dem Zuckergehalt ausgewählt. Ab 1862 erfolgte die Nachprüfung der so ausgewählten Rüben mittels polarimetrischer Zuckergehaltsbestimmung. Die mit größter Energie aufgenommenen züchterischen Bestrebungen zeigten bald Erfolge. In den 1870er und 1880er Jahren hatten sich aus der Vielzahl der Zuckerrübensorten in Deutschland einige wenige herauskristallisiert, darunter auch die erfolgreiche Klein Wanzlebener “Original”, die dem Unternehmen schließlich zu einer weltweit führenden Stellung als Saatzuchtbetrieb verhalf. 1910 wurde von Klein Wanzleben aus rund ein Drittel des Weltbedarfs an Rübensamen gedeckt. Fast alle Zuckerrüben, die gegenwärtig auf der Erde angebaut werden, stammen vom Klein Wanzlebener Typ. Julius Giesecke und Matthias R. jun., die beide die Grundlage für das Unternehmen mit gelegt hatten, verstarben 1881 bzw. 1885. In dieser schwierigen Situation wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In der Zuckerrübenzüchtung wurde, auch durch die Einstellung sachverständiger Züchter und Forscher wie Wilhelm Raatz, die erreichte Spitzenposition weiter ausgebaut. An dieser erfolgreichen Arbeit der Klein Wanzlebener Zuckerrübenzüchter nahm R. bis ins hohe Alter Anteil. Er zitierte gern alte Sprüche, und wo es möglich war, sprach er plattdeutsch. Die letzten 16 Jahre seines Lebens verbrachte er im Haus seines Enkels Ernst Giesecke. Als er schließlich im gesegneten Alter von fast 99 Jahren starb, hinterließ er ein Werk von Weltgeltung.

Literatur: Mitteldt Leb 4, 268–272; Die Rübenzucht in Kleinwanzleben, Selbstverlag der Firma ca. 1894; Hertwig Mosel, Die Entwicklung der Zuckerfabrik Klein-Wanzleben, vorm. Rabbethge & Giesecke AG, 1925; Familienchronik Rabbethge & Giesecke, 1929 (Auszug); Otto Keune (Hg.), Männer, die Nahrung schufen, 1952; Klein Wanzlebener Saatzucht AG – ein Werk von über 100 Jahren, 1985 (*B).

Walter Wöhlert