S. entstammte einer berühmten Schausteller- und Puppenspielerdynastie, die 1758 in München begründet und in acht Generationen auf etwa 48 Puppenspieler bzw. Schausteller angewachsen war. Die Familienmitglieder betrieben meist respektable Schaustellerunternehmen, traten auch in Weltstadtvarietés bis nach Übersee auf und wurden wegen der Entwicklung vieler Tricks und Besonderheiten bekannt. Erstmals sind Mitglieder der Familie 1823 zur Dommesse in Magdeburg nachgewiesen. Die Familie teilte etwa 1880 Deutschland in drei Spielgebiete auf, um gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden. Michael August S. (1851–1911) erhielt den süddeutschen Raum mit Stammsitz München – der Name S. ist heute noch auf dem Oktoberfest bekannt. Johann S. (1840–1906) arbeitete im Rheinland und der Pfalz mit Sitz in Bobenheim. S. selbst war von Hannover aus vor allem in Nord- und Mitteldeutschland unterwegs. Er schloß 1868 eine Zauberlehre bei Anton Gaßner ab, reiste anfangs als “Professor François S.” mit einem “Zauber-Theater” und zeigte vor allem Geister- Pantomimen. 1883–89 betrieb er ein “Automaten-Theater” und anschließend bis 1894 einen Irrgarten. Etwa ab 1890 spezialisierte er sich auf theatrum mundi und Marionettenspiel, insbesondere auf Varieté- und Verwandlungsmarionetten. Die Anregungen hierfür soll er von den Gebrüdern Holden aus England übernommen haben. Die Fassade des Theaters von S. ruhte auf sechs oder acht Säulen und war etwa 18 bzw. 24 m lang. Ab 1873 besuchte er regelmäßig die Dommesse in Magdeburg, bis er von seinem Sohn Xaver S. abgelöst wurde, der sich 1920 in Magdeburg ansiedelte.

Nachlaß: Münchner Stadtmuseum; Museum für Figurentheater Lübeck.

Literatur: Xaver S., Von dem bewegten Leben der alten Puppenspielerfamilie S., Sonderdruck 1962; Florian Dering u. a., Heute Hinrichtung. Jahrmarkts- und Varietéattraktionen der Schausteller-Dynastie S., 1990 (B); Helga Werle-Burger, Vornehmstes Familientheater. S.s Marionetten-Varieté-Theater, 1993.

Johannes Richter