Bäumer, Gertrud, Dr. phil.
geb. 12.09.1873 Hohenlimburg/Westfalen,
gest. 25.03.1954 Bethel bei Bielefeld,
Pädagogin, Frauenrechtlerin, Sozialpolitikerin,
Schriftstellerin, Ministerialrätin.

B., Tochter eines Pfarrers und älteste von drei Geschwistern, zog nach dem frühen Tod des Vaters mit der Familie nach Halle. Hier verbrachte sie im Haus der Großmutter die Kindheit. Die Familie verzog später nach Magdeburg. Dort besuchte B. die höhere Töchterschule, die mit einem Lehrerinnenseminar verbunden war, an dem sie als Volksschullehrerin ausgebildet wurde. B. trat ihre erste Stelle 1892 in Kamen/Westfalen an. 1894 wurde sie, nach einer kurzen Tätigkeit an einer Magdeburger städtischen Mädchenschule, Lehrerin für Geschichte, Religion und Gesang an der von Elisabeth Rosenthal gegründeten höheren Töchterschule. In Magdeburg stand sie durch Kontakte zum 1890 von Helene Lange gegründeten Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverband erstmals den Problemen der Kinder und Eltern des neuen Industrieproletariats gegenüber. B. wurde aktives Mitglied dieses Verbandes, der sich als Teil der Frauenbewegung verstand. 1896 hatte sie ihre erste Begegnung mit Lange. Ab 1898 studierte B. Germanistik, evangelische Theologie, Sozialwissenschaften und Philosophie an der Universität Berlin, 1904 promovierte sie als eine der ersten Frauen in Deutschland zum Dr. phil. Die enge Zusammenarbeit mit Lange prägte ihr Leben. Gemeinsam gaben sie ab 1901 das fünfbändige Werk “Handbuch der Frauenbewegung” heraus. 1910 wurde B. Nachfolgerin von Lange im Vorsitz des Bundes deutschen Frauenvereine und als Herausgeber der Zeitschrift  Die Frau. Sie war Dozentin an der sozialen Frauenschule und an der Humboldt-Akademie Berlin und gründete und leitete 1916–20 das sozialpädagogische Institut in Hamburg. B. trat der von Friedrich Naumann gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, für die sie mit der Erreichung des Frauenstimmrechts 1919 als eine der ersten Frauen zum Mitglied des Reichstages gewählt wurde. 1920 wurde sie erste Ministerialrätin im Reichsministerium des Innern Berlin. Die Nationalsozialisten enthoben sie 1933 aller Ämter. In Schlesien, wo B. ab 1933 lebte, gab sie bis 1944 weiter die Zeitschrift Die Frau heraus. Dort entstanden auch viele, u. a. historische Bücher. Ihr bekanntestes literarisches Werk war der Roman “Adelheid, Mutter der Königreiche” (1936/37). Nach dem II. Weltkrieg kehrte B. nach Bad Godesberg zurück. Der Versuch, in der neuen Frauenbewegung wieder aktiv zu werden, scheiterte am Vorwurf einiger Frauen, in der Zeit des Nationalsozialismus angepaßt gewesen zu sein. B. veröffentlichte rege zu sozialen und politischen Fragen sowie geschichtliche und biographische Werke.

Werke: Die Frau und das geistige Leben, 1911; Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart, 1914; Lebensweg durch eine Zeitenwende, Autobiographie, 1934.

Literatur: DBE 1, 265; Cuno Horkenbach (Hg.), Das Deutsche Reich, 1930, 635; Lexikon der Frau, Bd. 1, 1953, Sp. 349 (*B); Die Stadtführerin, hg. vom Amt für Gleichstellungsfragen der Stadt Magdeburg, o. J., 54f.; Werner Huber, G. B. – eine politische Biographie, Inaugural-Diss. München 1970 (W, L).

Gabriele Weninger