Baer, Otto
geb. 01.02.1881 Jerichow,
gest. 23.04.1966 Magdeburg,
Weißgerber, Kommunalpolitiker,
Oberbürgermeister in Magdeburg.

Der Sohn eines Arbeiters engagierte sich seit 1898 in der Gewerkschaft der Lederarbeiter, in der er vom Hauskassierer zum Bezirksleiter aufstieg. Als Mitbegründer der Volksfürsorge, einer gewerkschaftlichen Versicherung, wurde er 1914 ihr Geschäftsführer. Seit 1900 in der SPD, wählte ihn 1917 der Ortsverein Magdeburg zum Vorsitzenden. Als Vertreter der stärksten Fraktion im Stadtparlament versah er 1920–33 das Amt des Stadtverordnetenvorstehers. 1930–33 fungierte er als Verwaltungsdirektor des Magdeburg-Sudenburger Krankenhauses. Der souveräne Verwaltungsfachmann wurde 1928 Präsident des Provinziallandtages. Auch dem Deutschen Städtetag und dem Provinzial-Städtetag stand er vor. Von den Nationalsozialisten gesucht, tauchte er zunächst unter. Im Mai 1933 geriet er zum erstenmal für zwei Wochen in sogenannte Schutzhaft. Die nächsten zwölf Jahre unterlag er einer wöchentlichen polizeilichen Meldepflicht. Die Familie erlebte zahlreiche Hausdurchsuchungen. Arbeitslos bis 1935, übernahm er dann eine Versicherungsvertretung, die er unter Hinzuziehung ebenfalls arbeitsloser Sozialdemokraten stark ausbaute. Die Gestapo vermutete eine getarnte Widerstands-Organisation und nahm ihn 1936 für fünf Monate in Untersuchungshaft. Erst 1938 konnte er wieder eine Versicherungsagentur übernehmen. Im November 1939 wurde er infolge des kriegsbedingten Arbeitskräftemangels vom Finanzamt dienstverpflichtet. Im August 1944 im Zuge der “Aktion Gitter” erneut inhaftiert, überstand der 63jährige sechs Wochen im Konzentrationslager Sachsenhausen. Am 19.04.1945 von dem kurzzeitigen amerikanischen Stadtkommandanten zum Oberbürgermeister von Magdeburg ernannt, von den nachfolgenden Engländern abgesetzt, von der russischen Besatzungsmacht wieder eingesetzt und zusätzlich zum Regierungspräsidenten der Bezirksregierung zu Magdeburg bestimmt, amtierte B. nur zehn Monate. Nach zehn Wochen in NKWD-Haft arbeitete er später bis zu seiner Pensionierung als Abteilungs-Leiter im Finanzministerium in Halle. Die Anerkennung als Opfer des Faschismus wurde ihm verweigert. Ein Freund der Zwangsvereinigung von SPD und KPD im April 1946 war er nicht, doch dem Wunsch seines Sohnes Hermann (geb. 1904), nach 1945 erfolgreicher Kaufmann in Hannover und späterer Kurdirektor von Fallingbostel, zu ihm zu ziehen, widerstand er, da er seine sozialdemokratischen Freunde in Magdeburg nicht im Stichlassen wollte.

Literatur: Sammlung. Beatrix Herlemann., Hannover (privat).

Bildquellen: Mathias Tullner, 180 Jahre Regierungsbezirk Magdeburg, 21998, 78; *Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat): Lithographie von  Bruno Beye.

Beatrix Herlemann

letzte Änderung: 01.02.2005