Becker, Ernst Georg
geb.  01.09.1878 Amsdorf (Mansfelder Seekreis),
gest. 19.01.1953 Magdeburg,
Fabrikant, Unternehmer, Stadtverordneter

 B. wurde als Sohn des Gutsbesitzers Gottlob B. und seiner Frau Hilde geb. Ackermann im Mansfelder Seekreis geboren. Nach dem Besuch der Schule in Eisleben kam B. für eine kaufmännische Lehre in die 1890 gegründete Maschinenfabrik Gebr. Commichau in Magdeburg, in der u.a. Transportspiralen hergestellt wurden. Als Autodidakt  bildete B. sich auf technischem Gebiet weiter.  Im 1. Garde-Feldartillerie-Regiment in Berlin leistete er seinen Militärdienst. Danach war er als Angestellter und später Geschäftsführer in seiner ehemaligen Ausbildungsfabrik mit ungefähr 150 Arbeitern beschäftigt. Im Jahre 1907 gründete B. in Magdeburg auf der Halberstädter Straße/Ecke Ambrosiusplatz als Kaufmann ein kleines Geschäft, in dem er mit Schiffsketten und Elevatorenbechern handelte. Aus diesem Geschäft entwickelte sich die Firma Maschinenfabrik Georg Becker & Co. an der Sudenburger Wuhne 49-51, die B. mit technischem Spürsinn bis 1930 zu einer Spezialfirma für Transportanlagen ausbaute. Das Werk befasste sich vornehmlich mit der Fertigung von Transportanlagen zur Förderung von Stück- und Massengütern speziell der Kohlen-,  Zucker-, Zement-, Kalk-, chemischen Kali- und Erzindustrie und galt als einer der führenden Transportanlagenhersteller in Mitteldeutschland. B. arbeitete mit zahlreichen Industrieländern der Welt zusammen. 1920 gründete er ebenfalls in Magdeburg-Sudenburg, im Langen Weg, die Zweitfirma Metallwarenfabrik Gebrüder Becker & Co., deren späterer Alleininhaber er war. In beiden Werken beschäftigte B. auf etwa 40.000 Quadratmeter Firmengelände rund 300 Arbeiter und Angestellte. Der engagierte Unternehmer reiste nach dem I. Weltkrieg in die USA, um sich über Neuerungen im Transportanlagenbau zu informieren. Dabei brachte er auch neue Ideen der Reklame mit und setzte sie in seiner Magdeburger Firma um. 1926 expandierte B. erneut und produzierte bis in die 1940er Jahre seine Transportanlagen auch im Sudenburger Werkstattgebäude Fichtestraße 29a, in dem zuvor die Mitteldeutsche Maschinenbau GmbH ansässig war. Von 1925 bis 1935 war B. als Arbeitgebervertreter Vorstandsmitglied der Allgemeinen Ortskrankenkassen, Mitglied des Deutschen Fördermittelverbandes, des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten und des Verbandes Mitteldeutscher Metallindustrieller. B. bekleidete zudem verschiedene Ehrenämter, u.a. als Arbeitsrichter, Schöffe und Geschworener, wirkte im Gemeinderat der Kirchengemeinde St. Ambrosius in Magdeburg-Sudenburg sowie ab 1942 als Vorsitzender von dessen Baukommission. Er war darüber hinaus mit dem Mandat der Reichspartei des deutschen Mittelstandes (später Wirtschaftspartei) von 1929 bis 1932 Stadtverordneter der Stadt Magdeburg und legte ein Jahr vor Auflösung der Stadtverordnetenversammlung durch die Nationalsozialisten sein Mandat nieder. Der rührige Unternehmer setzte sich für den Kindergarten der Ambrosiusgemeinde ein u. a. mit Spenden für die damals noch als Kleinkinderbewahranstalt bezeichneten Einrichtung. In Notzeiten versorgte der über die Maßen sozial engagierte Mann ebenso Familien seiner Angestellten mit Kohlen und Kartoffeln. Er richtete eine Betriebsrentenkasse für die Arbeiter ein, die auch nach 1945 bestehen blieb. Das Unternehmen produzierte zwischen 1933 und 1945 keine Rüstungsgüter. Politisch nicht im Sinne des Nationalsozialismus engagiert, fertigte B. weiterhin Transportanlagen und musste sich mit einer schwierigen Materiallage auseinandersetzen. Ab 1935 beschäftigte der als souverän und großzügig geltende Unternehmer mehrere Arbeiter, die in anderen Unternehmen wegen ihrer politischen Tätigkeit für kommunistische, gewerkschaftliche und sozialdemokratische Organisationen entlassen worden waren. In den 1940er Jahren wurden auch den B.’schen Firmen ausländische Zwangsarbeiter zugewiesen, für die B. auf dem Fabrikgelände ein Lagergebäude zu Wohnzwecken mit WC und Küche umbauen ließ. 1945 beschlagnahmte die russische Stadtkommandantur der Roten Armee die Villa des Fabrikanten in der Westendstraße 29 (heute Klausener Straße). Innerhalb von 24 Stunden mussten Georg B., seine Frau, die Tochter und sechs Enkelkinder das Haus verlassen, um in das hergerichtete ehemalige Wohngebäude für Zwangsarbeiter zu ziehen. 1949 wurde B. unter fadenscheinigen Umständen verhaftet, jedoch 1951 von der Anklage wegen Wirtschaftsvergehen freigesprochen. Noch während des laufenden Strafprozesses war er – wie zuvor schon sein Sohn Georg B. jun. – entschädigungslos enteignet worden. Gegen das freisprechende Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Bevor darüber entschieden wurde, starb B. verbittert in seiner letzten Wohnung in Magdeburg-Stadtfeld.  Nach 1994 erhielt die Familie die Villa in der Klausener Str. zurück, die das unter Denkmalschutz stehende Haus denkmalgerecht sanierte. 1954 wurden die Unternehmen B.s mit den produktionsverwandten Firmen A. W. Mackensen in der Neuen Neustadt und der 1928 gegründeten Sudenburger Maschinenfabrik Emil Wieger zum VEB Schwermaschinenbau „7. Oktober“ zusammengeführt, der 1954 bis 1990 an zwei Standorten in Magdeburg Förderanlagen für den osteuropäischen Markt produzierte. Seit 1993 existiert das einst von B. erbaute Unternehmen an der Sudenburger Wuhne als moderner, erfolgreicher Betrieb unter dem Namen FAM – Förderanlagen Magdeburg GmbH  weiter.

Literatur: Reichshdb 1, 84f.; Sabine Ullrich, Industriearchitektur in Magdeburg. Band I: Maschinenbauindustrie, 1999, S. 38ff., 175

 Archivalien: Dokumente und Aufzeichnungen der Familien Becker/Mahrenholtz, Braunschweig (privat).

 Bildquelle: *Nachfahren Becker/Mahrenholtz, Braunschweig (privat); Ölgemälde in der Villa Klausener Straße (privat).

Heike Kriewald

letzte Änderung: 01.08.2006