Schneidt, Karl (Carl)
Ps.: Karl Klarenthal
geb. 13.05.1854 Rußhütte/Kreis Saarbrücken,
gest. 02.11.1945 Eggersdorf bei Straußberg,
Journalist, Publizist, politischer Agitator, libertärer Sozialist.

S. absolvierte ein Universitätsstudium in Bonn und Heidelberg und war anschließend als Lehrer tätig, setzte sich jedoch bald verstärkt mit sozialistischen und sozialdemokratischen Zeitbestrebungen auseinander. Ab Mitte der 1870er Jahre arbeitete er als Journalist für verschiedene sozialdemokratische Zeitungen, so z.B. für das Hamburger Volksblatt und die Bergische Arbeiterstimme und war auch danach überwiegend als Journalist und freier Publizist tätig. Nach dem Erlass des Sozialistengesetzes emigrierte er nach Brüssel, wo er 1880 an einem sozialrevolutionären Kongress teilnahm. Anschließend ging er nach Paris und 1881 schließlich nach London. In London schloß er sich der Opposition um den emigrierten Johann Most und Wilhelm Hasselmann an und wurde Redakteur der Freiheit, einer sozialistischen und später anarchistischen Zeitung, die man nach Deutschland schmuggelte. Als Most 1882 verhaftet wurde, übernahm S. auch die Leitung des Blattes. In London traf er Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, der zu den führenden Vertretern der anarchistischen Bewegung zählte. 1883 kehrte S. nach Deutschland zurück und wurde bei seiner Ankunft in Potsdam verhaftet. In Leipzig wegen Hochverrats angeklagt, ließ man ihn nach fünfmonatiger Haft aus Mangel an Beweisen wieder frei. 1885 wurde S. Herausgeber der Magdeburger Gerichts-Zeitung und der Deutschen Volksblätter – beides Zeitungen der Opposition in- und außerhalb der Magdeburger Sozialdemokratie. Zu dieser Zeit hielt Schneidt auch Kontakte zu den illegalen Gruppen in und um Magdeburg. Um 1889/90 verbrachte er eine Zeitlang im Saargebiet und im Rheinland, wo er für die Gewerkschaften der Bergarbeiter agitatorisch tätig wird. S. gehörte im November 1891 zu den Gründungsmitgliedern des Vereins der Unabhängigen Sozialisten, einer Organisation der aus der sozialdemokratischen Partei ausgeschlossenen Opposition. – Orientiert an libertärsozialistischen Idealen, begann S. nach dem Fall des Sozialistengesetzes und seinem Umzug in die Reichshauptstadt auf breiter publizistischer Front einen offenen und scharf geführten Kampf gegen staatliche Reaktion und Repression, gegen Klassenjustiz, Antisemitismus und preußischen Militarismus. Er wies mit z.T. spektakulären Aktionen auf das soziale Elend und die Ausbeutung der einfachen Volksschichten hin und wurde dafür wiederholt gerichtlich verfolgt und verurteilt. In Berlin gab er 1891-93 die Zeitung Der Spottvogel, eine satirische Wochenschrift, heraus, der weitere Zeitungsprojekte folgten: Die Schmach des Jahrhunderts. Halbmonatsschrift zur Bekämpfung des Antisemitismus (1892), Die Kritik. Monatsschrift für öffentliches Leben (1894-1902) sowie Zeit am Montag, ein „Boulevardblatt mit libertären Tendenzen“ (1904) und Die Tribüne. Wochenschrift für Aufklärung, Belehrung und Unterhaltung (1905-21). 1905 wurde S. zusammen mit zwei Redakteuren der Zeitung Vorwärts im sogenannten „Plötzensee-Prozeß“ wegen Enthüllungen über die unhaltbaren Zustände in preußischen Gefängnissen angeklagt, in dem Karl Liebknecht die Verteidigung übernahm. In den 1920er Jahren war S. für die Rote Hilfe Deutschlands aktiv, bei der er zeitweilig im Zentralvorstand mitarbeitete.

Werke: Die Hintermänner der Socialdemokratie, 1890; Der Prozess Ahlwardt und anderes, 1892; Die Eiserne Maske. Das enthüllte Geheimnis der Socialdemokratie, 1892; Neue Aufschlüsse über die Hunger-Revolte in Berlin, 1892; Das Kellnerinnen-Elend in Berlin, 1893; Die Magdeburger Majestätsbeleidigungsprozesse. Kritische Erörterungen, 1899; Wilhelm II. von Gottes Gnaden, 1911; Die Sozialdemokratie in Feldgrau. Ernste Betrachtungen in ernster Zeit, [1915].

 

Literatur: Max Nettlau, Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Geschichte der Anarchie, Band III, 1996; Werner Müller, Nekrolog für einen Anarchisten. Wie Wilhelm Pieck 1945 K. S. würdigte, in: junge welt vom 18.11.2000 [auch http://www.jungewelt.de/2000/11-18/022.shtml]

 

 Archivalien: Landesarchiv Berlin: A Pr. Br. Rep. 030 Tit. 94 Nr. 13272 (Die Bewegung der sozialdemokratischen „Jungen“).

Internet: Zs. Freiheit: http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001852.HTM;
Deutsche Volksblätter
http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0002220.HTM;
Der Spottvogel: http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001199.HTM;
Die Kritik. Monatsschrift für öffentl. Leben: http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001224.HTM;
Zeit am Montag: http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001302.HTM;

Die Tribüne. Wochenschrift für Aufklärung, Belehrung und Unterhaltung
http://projekte.free.de/dada/dada-p/P0001315.HTM

Ludwig Unruh

letzte Änderung: 26.09.2005