Herwig, Franz
geb. 20.03.1880 Magdeburg,
gest. 15.08.1931 Weimar,
Schriftsteller, Dramatiker, Literaturkritiker.

H.’s Vater, der Wachtmeister Jacob H., kam aus einer katholischen Eichsfelder Familie; seine Mutter, Anna Elisabeth, geb. Rabethge, entstammte einer alten Bauernfamilie aus Remkersleben in der Magdeburger Börde. Das Gymnasium in Magdeburg konnte er nicht abschließen; auch eine kaufmännischen Lehre brach er ab. Einer Neigung zum Dichterberuf folgend, versuchte der weitgehend mittellose H. in Weimar Fuß zu fassen. Nachdem der erste Versuch mißglückt war, ging er 1899 nach Breslau. Von 1900 bis 1903 war er als Feuilletonist in Danzig tätig, anschließend hielt er sich in Berlin(-Buchholz) auf. Zum zweiten Mal in Weimar, erlangte er Kontakt zu dem Verleger und Begründer des Harzer Bergtheaters Dr. Ernst Wachler (Heimatkunstbewegung). 1903 lernte er in München die von Karl Muth neu gegründete katholische Zeitschrift Hochland und ihr positiv-kritisches Programm kennen. Mittellos wanderte er nach Leipzig und wieder nach Berlin, schrieb, zuweilen „stehend auf Postämtern“, an seinen Dramen und Romanen und arbeitete u.a. als Buchhändler in Zürich. Ab 1908 lebte er in Buch bei Berlin. Von 1910 bis 1912 war er Angestellter der Alphonsus-Buchhandlung in Münster und später Verlagsleiter der Zs. Über den Wassern. Nach seiner Heirat mit Josephine Elisabeth Emilia, geb. Stein, nahm die Familie – aus der Ehe gingen drei Kinder hervor – ab 1912 ihren festen Wohnsitz in Weimar. Von 1915 bis 1918 wurde H. während des I. Weltkrieges trotz einer chronischen Neuralgie und eines Nierenleidens zum Landsturm eingezogen und in den Vogesen eingesetzt. Neben seiner Arbeit als freier Schriftsteller arbeitete H. von 1909 bis zu seinem Tode als Literaturkritiker für die Zs. Hochland, leitete in Weimar von 1922 bis 1925 die Edition der „Hausschatzbücherei“ und von 1925 bis 1927 die Zs. Der bunte Garten. Zudem war er als Redakteur beim Münchener Verlag Kösel & Pustet tätig. Die Anerkennung, welche H. als Schriftsteller fand, enthob ihn jedoch nicht finanzieller Sorge. Ein Gehirnschlag riß ihn aus seinem Schaffen. Er starb, wie er es sich gewünscht hatte: „Ich werde in den Stiefeln und stehend sterben.“ - Stilistisch vor allem Gustav Flaubert und Theodor Fontane verpflichtet, verband H. in seinen frühen Werken einen auf dem „Erlebnis“ basierenden literarischen Realismus mit der vielfältigen Gestaltung historischer Stoffe der deutschen und preußischen Vergangenheit. Seit 1918 durch das Wirken des katholischen Seelsorgers, Sozialarbeiters und Politikers Carl Sonnenschein und seines Kreises in Berlin beeinflußt, fanden insbesondere H.s der „sozialen Frage“ gewidmete Romane in der Weimarer Republik stärkere öffentliche Beachtung. In „Sankt Sebastian vom Wedding“ (1921), „Die Eingeengten“ (1926), „Willi siegt“ (1927) und „Hoffnung auf Licht“ (1929) gestaltete er persönliche und gesellschaftliche Gewissensfragen im Kontext des Großstadtmilieus und trat zugleich als kritischer, religiös-sozial engagierter Mahner in Fragen der Gegenwart auf. Das Katholische an H.s Dichtung, das er neben seinem preußisch-deutschen Patriotismus zeit seines Lebens als konstitutives Element seines Arbeitens betrachtete, war nicht tendenzlerisch. Seine literarische Tätigkeit als impulsiver Dramatiker, Erzähler und Romancier, seine Bemühungen um die Wiedererweckung des Mysterienspieles und seine umfangreiche Literaturkritik waren im Kern der Reintegration der spezifisch katholischen Literatur in den Gesamtzusammenhang der zeitgenössischen literarischen Entwicklung verpflichtet. Er wirkte in diesem Sinne volksnah und erzieherisch auch mit Lesungen und Vorträgen, die ihn von Breslau bis ins Rheinland führten. H. stand in Berührung und Austausch mit Dichtern und Persönlichkeiten wie Knut Hamsun, Leo Weißmantel, Martha Große, Gertrud von Le Fort, Friede H. Kratze, Heinrich Lersch, Ernst Thrasolt, Heinrich Federer, Ruth Schaumann, Peter Dörfler und vielen anderen. Seine Werke erzielten Breitenwirkung und wurden ins Dänische, Holländische, Slowenische, Ungarische und Tschechische übersetzt. Die Magdeburgische Zeitung erinnerte in einem Nachruf an die Herkunft H.’s aus Magdeburg und würdigte ihn als einen „Schriftsteller, Dramatiker und Kritiker“, der sich mit den „Problemen der Großstadt und ... Fragen der Gegenwart“ produktiv auseinandergesetzt hat.

Werke: s.o.; Die letzten Zielinski. Roman, 1906; Die Stunde kommt. Roman, 1911; Jan van Werth. Roman aus dem dreißigjährigen Krieg, 1913; Das Schlachtfeld. Roman, 1920; Das Adventspiel in drei Bildern und einem Vorspruch, 1921; Die Zukunft des katholischen Elementes in der deutschen Literatur, 1922; Das märkische Herz. Ein kurzweiliger Roman, 1923; Sterne fallen und steigen. Zwei Novellen, 1925; Der große Bischof, 1930; Fluchtversuche, 1930; Hubert Spee (Hg.): F. H.s Jugenddramen, 1935.

Nachlaß: Bistumsarchiv Erfurt; Goethe- und Schillerarchiv Weimar; DLA Marbach.

Literatur: NDB 8, 726f.; Killy 5, 263; Kosch LL 7, Sp. 1035f.; Arthur Friedrich Binz, F. H., 1922 (B); Nachruf F.H., in: Magdeburgische Zeitung Nr. 450 vom 19.08.1931; Agnes Herkommer/Lucie Stütz, Erinnerungen an F.H., 1932 (B); Heinrich Kautz, Das Ende der Sozialen Frage in der Schau F. H.s. und R. H. Bensons, 1932; ders., F. H., in: Das kath. Deutschland, 1933, 1551 (B); Lore Lawnik, F. H., 1933; Hubert Spee, F. H. als Dichter und Kritiker, 1938.

Bildquelle: *Bistumsarchiv Erfurt.

Ludwig Stegl

letzte Änderung: 16.06.2004