Schlaf, Johannes
Ps.: Bjarne P. Holmsen
geb. 21.06.1862 Querfurt,
gest. 01.02.1941 Querfurt,
Dramatiker, Erzähler, Übersetzer.

Der Sohn eines kaufmännischen Angestellten wuchs in Querfurt auf, kam im Herbst 1874 mit seiner Familie nach Magdeburg und besuchte hier ab Ostern 1875 das Domgymnasium, an dem er 1884 auch sein Abitur ablegte. Der literarisch interessierte und zeichnerisch begabte S. trat 1882 dem Bund der Lebendigen, einem aus Schülern des Gymnasium des Klosters Unser Lieben Frauen bestehenden, um Hermann Conradi zentrierten Schülerverein mit radikaler sozialkritischer Tendenz bei. Durch Conradi kam S. früh mit dem französischen Naturalismus in Berührung, entwickelte aber unter dem Einfluß von Ernst Haeckels Evolutionismus bereits in Magdeburg eigene mystisch-naturphilosophische Vorstellungen, die in späterer Zeit nur noch eine spekulative Erweiterung erfuhren. 1884–88 absolvierte S. auf Wunsch der Familie ein “Brotstudium” in Halle und Berlin (Altphilologie, Germanistik) und lernte dabei im Herbst 1885 in Berlin Arno Holz kennen, mit dem er im Winter 1887/88, seinen literarischen Neigungen folgend, eine künstlerische Arbeitsgemeinschaft bildete. Die fruchtbare Zusammenarbeit beider dauerte mit Unterbrechungen bis 1892. Die in dieser Zeit entstandenen Dichtungen (Novellen, Zeitungsartikel, Verse) – u. a. in den Sammelbänden “Papa Hamlet” (1889) und “Neue Gleise” (1892) publiziert – fanden den Beifall Gerhart Hauptmanns und gingen als erste Beispiele des sogenannten “Konsequenten Naturalismus” in die Literaturgeschichte ein. 1889 arbeiteten Holz und S., der sich zwischenzeitlich wieder in Magdeburg aufhielt, an dem Prosaskizze und Theaterstück verbindenden Drama “Familie Selicke”, das 1890 zeitgleich an der Freien Bühne Berlin und dem Magdeburger Stadttheater uraufgeführt wurde. Mit dem Drama “Meister Oelze” (1892, erste öffentliche Aufführung 1900 in Magdeburg), das z. T. in Magdeburg entstand, beschritt S. bereits eigene Wege und entwickelte die naturalistischen Prinzipien in Richtung Impressionismus und Intimes Theater eigenständig weiter, gab jedoch die sozialkritische Tendenz seines bisherigen Schaffens zugunsten der Beschreibung biologistisch verstandener Determinanten des Menschen (Verbrechen, Schuld, Erlösung) auf. Nach einem Nervenzusammenbruch Ende 1892 hielt sich S. bis 1898 mehrfach in Nervenheilanstalten auf, erholte sich u. a. in der Nähe von Hamburg und aufgrund völliger Mittellosigkeit bei seinen Angehörigen in Magdeburg. Seine in dieser Zeit vollzogene Distanzierung vom Naturalismus führte zum Zerwürfnis und zu literarischen Invektiven mit Arno Holz. Ende 1899 übersiedelte S. erneut nach Berlin, verkehrte im Klub der “Kommenden” um Rudolf Steiner, dessen Mitglieder einer geistigen und kulturellen Erneuerung Deutschlands vorarbeiteten, naturreligiöse, monistische und lebensreformerische Vorstellungen mit dem theosophischen Gedankengut Steiners verbanden und auf S.s Ideen einer “religiösen Individualität” und eines mystistisch verstandenen Pantheismus einwirkten. 1904 ließ sich S., der im großstädtischen Berlin nicht zur Ruhe gelangen konnte, als freier Schriftsteller in Weimar nieder und erfuhr hier bis zum Beginn des I. Weltkrieges seine künstlerisch produktivste Zeit. Neben zahlreichen Romanen und Novellensammlungen entstanden auch umfangreiche philosophische Arbeiten. S. selbst verstand sich in zunehmendem Maße als Wissenschaftler und Kulturphilosoph und stilisierte sich in der Folge zum “Weltanschauungsstreiter”. Sein umfangreiches natur- und kulturphilosophisches Schrifttum war auf kosmogonische, in einem geozentrischen Weltbild gipfelnde Spekulationen zentriert. In den 1920er und 1930er Jahren beschäftigte sich S., der sich nationalsozialistischen Anschauungen nicht verschloß, hauptsächlich mit kosmologischen und astronomischen Problemen, wobei ein weitgehendes öffentliches Desinteresse an seinem Werk mit der Würdigung S.s als eines respektablen Privatgelehrten kontrastierte. Seit 1937 lebte er wieder in seiner Geburtsstadt Querfurt. Bleibende Verdienste erwarb sich S. mit Übersetzungen und Publikationen zum Werk Walt Whitmans, an dessen Verbreitung in Deutschland er entscheidenden Anteil hatte.

Werke: s. o.; Junge Leute, 1890 (mit Arno Holz); Novellen (3 Bde), 1899–1901; Das absolute Individuum und die Vollendung der Religion, 1910; Ausgewählte Werke (2 Bde), 1934–1940.

Literatur: Killy 10, 254f.; Ludwig Bäte, J. S., 1933; Heinz-Georg Brands, Theorie und Stil des sog. “Konsequenten Naturalismus” von Arno Holz und J. S., 1978; Dieter Kafitz, J. S. – Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit. Ein Beitrag zur Neubestimmung des Naturalismus-Begriffs und zur Herleitung totalitären Denkens, 1992 (W, L).

Bildquelle: *Archiv Literaturhaus Magdeburg.

Guido Heinrich