Schmidt, Wilhelm, Dr.-Ing. E.h.
geb.18.02.1858 Wegeleben,
gest.16.02.1924 Bethel bei Bielefeld,
Baurat, Zivil-Ingenieur, Erfinder.

S. war Kind armer Eltern, besuchte bis 1872 die Volksschule in Wegeleben bei Halberstadt und erlernte anschließend das Schlosserhandwerk in Wegeleben und Halberstadt. 1877–80 ging er auf Wanderschaft und arbeitete als Schlosser in Dresden, Hamburg und München. In Dresden lernte er bei Schlosserarbeiten den Kunstmaler Adolf Ehrhardt kennen, der S. an die Professoren Gustav Zeuner und Ernst Lewicki an der Technischen Hochschule Dresden vermittelte. 1878 absolvierte S. seine Militärzeit in Dresden, war im zweiten Jahr dort Bademeister und nutzte die ihm verbleibende Zeit zum Selbststudium mittels Fachbüchern aus der Bibliothek der Technischen Hochschule Dresden. S. führte in dieser Zeit erste Experimente mit Heißdampf zur Steigerung des Wirkungsgrades einer Maschine durch. Die erzielten Ergebnisse fanden sowohl bei den Professoren als auch bei den Militärs Akzeptanz. Auf Empfehlung ging S. für neun Monate zur Sächsischen Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann in Chemnitz, trat anschließend als Maschinenschlosser in die Maschinenfabrik M. Ehrhardt in Wolfenbüttel (der Maschinenfabrikant war der Sohn des oben genannten Erhardt) ein und erhielt dort die Möglichkeit, eine “Heißluftmaschine” zu entwickeln. 1883 begann er eine selbständige Laufbahn als Zivil-Ingenieur, beschäftigte sich mit einer Heißluft-Dampfmaschine und der Anwendung hochgespannter Dämpfe mittels der sogenannten Strahlmaschine. Die Ausführung seiner Vorstellungen erfolgten mit einer Verbundmaschine der Firma Herzogliche Anhaltinische Maschinenbau AG in Bernburg. Die Rechte an dieser Ausführung wurden von der Firma Blohm & Voss in Hamburg erworben und in einem Seedampfer umgesetzt. S. versuchte in der Folge, die Kondensationsverluste mittels einer hohen Dampfüberhitzung zu minimieren, führte zu diesem Zweck weitere Untersuchungen bei der Maschinenbau AG, vormals Beck & Henkel in Kassel durch und siedelte 1891 dorthin um. Schwerpunkt der Untersuchungen war das konstruktive Umsetzen der von ihm erkannten Gesetzmäßigkeiten der Dampfkondensation bei der Entspannung der Heißdämpfe. Daraus entstand 1894 als weitreichende Erfindung die Schmidt'sche Heißdampf-Verbundmaschine mit Kondensator, mit der der thermische Wirkungsgrad gegenüber herkömmlichen Maschinen um ca. 30 Prozent verbessert wurde. In der nachfolgenden Zeit verschrieb S. sich der Ausführung stationärer Anlagen und erteilte auch interessierten Firma Ausführungsrechte. 1895 trat er in die Maschinenfabrik W. L. Schröder in Aschersleben ein, wandelte sie in Wilhelm Schmidt & Co. um und erweiterte sie 1898 zur Ascherslebener Maschinenbau AG vormals Wilhelm Schmidt & Co. Nach 1899 widmete sich S. der Erteilung von Lizenzen und der Verwertung seiner Patente. Besonderen Erfolg hatte die Schmidt'sche Erfindung im Lokomotivenbau. Bereits 1898 wurden von den Firma Vulcan in Stettin und Henschel in Kassel die ersten beiden Heißdampflokomotiven der Welt nach den Patenten von S. ausgeliefert. 1899 erhielt die von Borsig in Berlin erbaute Heißdampflokomotive auf der Pariser Weltausstellung eine Goldene Medaille. 1910 gründete S. in Kassel-Wilhelmshöhe die Schmidt'sche Heißdampf- Gesellschaft mbH, über die weitere Einsatzgebiete der Heißdampftechnik, wie Dampfpflüge, Antriebe für Walzwerke, Schiffsantriebe u. a., erschlossen wurden. 1910 entwickelte S. in Aschersleben eine stationäre Hochdruck- Kolbendampfanlage, 1911 wurde der Dieselmotor durch S. verbessert. Für das Reichs-Marine- Amt entwickelte er eine neue, 12.000 PS starke Antriebsmaschine für U-Boote, 1928 wurde die erste Hochdruckdampflokomotive der Welt in Dienst gestellt (H 17 206). Um 1925 waren bereits 125.000 Heißdampflokomotiven Schmidt'scher Bauart im Einsatz. S. verfügte über 200 Reichs- und 1.200 Auslandspatente, erhielt zahlreiche Ehrungen, u. a. 1908 die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Karlsruhe und 1916 die Grashof-Denkmünze des VDI, wurde 1913 zum Baurat und 1917 zum Ehrenbürger von Benneckenstein ernannt.

Werke: Die Erzeugung und Anwendung von hochüberhitztem Dampf – Heißdampf – im Schiffahrtsbetriebe nach dem System W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1906; Die Anwendung von Heißdampf im Lokomotivbetriebe nach dem System von W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1907; Zusammenstellung im Betriebe und Bau befindlicher Heissdampf-Lokomotiven nach den Patenten von W. S., Cassel-Wilhelmshöhe, 1907.

Literatur: Conrad Matschoss, Die Entwicklung der Dampfmaschine, Bd. 2, 1908, 169–178; Friedrich Mützinger, Dampfkraft, Berechnung und Bau von Wasserrohrkesseln und ihre Stellung in der Energieerzeugung, 1933 (*B); Herbert Hans Müller, W. S. – ein Leben für die Dampfmaschine, 1998 (B).

Herbert Hans Müller