Martini, Fritz
Oskar Richard, Prof. Dr. phil. habil. |
Der Sohn des Fabrikanten Friedrich M. wuchs in Magdeburg auf und legte nach dem Besuch eines Gymnasiums in Hamburg 1928 an der Magdeburger Bismarck-Schule sein Abitur ab. Danach studierte er bis 1931 deutsche und englische Philologie in Zürich, Graz, Heidelberg und Berlin. Hier promovierte er 1934 mit der Arbeit “Der Raum in der Dichtung Wilhelm Raabes” (Teildruck 1934 mit verändertem Titel). Im Wintersemester 1933/34 war M. Assistent seines Doktorvaters Julius Petersen an der Universität Berlin und von 1934 bis 1937 Lektor im Berliner Verlag Volksverband für Bücherfreunde. Nach einem gescheiterten Habilitationsversuch 1937 in Kiel habilitierte sich M. 1938 an der Universität Hamburg mit der Arbeit “Das Bauerntum im deutschen Schrifttum von den Anfängen bis zum 16. Jahrhundert” (erschienen 1944). An der Universität Hamburg war er bis 1943 als Privatdozent tätig. Von 1940 bis 1944 leistete M. als Gefreiter Kriegsdienst bei der Infanterie in Rußland, war 1944/45 Dolmetscher der Wehrmacht in Italien und geriet 1945 in englische Kriegsgefangenschaft. 1943 wurde M. zum außerordentlichen Professor für Ästhetik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Technischen Hochschule Stuttgart ernannt. Seit 1948 war er hier Leiter der Abteilung für Geisteswissenschaften. 1950 folgte die Berufung zum ordentlichen Professor. An der Technischen Hochschule Stuttgart lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1974. Daneben hielt er, z. T. im Rahmen von Gastprofessuren, Vorlesungen an Universitäten in Europa und den USA, darunter in London, Paris, Oslo, New York, Venedig und Berkeley. M. gehörte zu den wichtigsten Vertreter der form- und geistesgeschichtlich orientierten Germanistik in der Bundesrepublik, in deren Zentrum die Interpretation literarischer Werke stand. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Literaturgeschichte, war Herausgeber einflußreicher germanistischer Publikationsorgane wie der Zeitschrift Der Deutschunterricht (1948–79) und des “Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft” (1957–87) und edierte u. a. die Werke von Christoph Martin Wieland (5 Bände, 1964–68). Zu den Publikationen gehören Standardwerke, die z. T. in vielen Auflagen erschienen sind, wie eine “Deutsche Literaturgeschichte” (1949, 191991) und die umfangreiche Epochendarstellung “Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus 1848–1898” (1962, 41981). Mit der Politisierung und Theorieorientierung der Germanistik seit den 1970er Jahren haben M.s Bücher zunehmend an Einfluß verloren.
Werke: s.o.; Die Stadt in der Dichtung Wilhelm Raabes, 1934; Heinrich von Kleist und die geschichtliche Welt, 1940; Was war Expressionismus? Deutung und Auswahl seiner Lyrik, 1948; Das Wagnis der Sprache. Interpretationen deutscher Prosa von Nietzsche bis Benn, 1954, 61974; Geschichte im Drama – Drama in der Geschichte Spätbarock, Sturm und Drang, Klassik, Frührealismus, 1979; Vom Sturm und Drang zur Gegenwart. Autorenporträts und Interpretationen. Ausgewählte Aufsätze, 1990.
Nachlaß: DLA Marbach.
Literatur: Helmut Kreuzer (Hg.), Gestaltungsgeschichte und Gesellschaftsgeschichte F. M. zum 60. Geburtstag, 1969; ders., Zum Tode von F. M., in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jb. 1991, 168–171; ders., F. M., in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. 2, 1999, 312–314; Detlev Schöttker, F. M. (mit Bibliographie), in: Christoph König (Hg.), Internationales Germanistenlexikon 1800–1950 (i.V.).
Detlev Schöttker
letzte Änderung: 28.02.2005