Albertini, Johann Baptist von
geb. 17.02.1769 Neuwied am Rhein,
gest. 06.12.1831 Berthelsdorf bei Herrnhut (Oberlausitz),
Bischof und Liederdichter der Herrnhuter Brüdergemeine, Botaniker.

A.s Eltern, einem italienischen Adelsgeschlecht entstammend, waren Angehörige der Herrnhuter Brüdergemeine. Deren Grundsatz folgend, Kinder so früh als möglich in Anstalten für den Herrn und die Gemeine zu erziehen, wurde A. mit vier Jahren in die Neuwieder Erziehungsanstalt gegeben und kam 1782 ins Pädagogium der Gemeine nach Niesky. Dort entwickelte sich eine innige Freundschaft zu seinem Mitschüler Friedrich Adam Schleiermacher. Sie profitierten vom Aufkommen philanthropischer Ideen und einem freien Wissenschaftsbetrieb, gegen den sich das Pädagogium nicht sperrte, und erreichten vorzeitig die geforderte Reife. Infolgedessen kamen sie im August 1785 zur weiteren Qualifizierung ins Herrnhuter theologische Seminar nach Barby südlich von Magdeburg, das zum entscheidenden Einschnitt für ihr weiteres Leben wurde. Die Verhältnisse in Barby waren denen in Niesky in jeder Hinsicht entgegengesetzt. Das Seminar konnte sich zwar der Aufklärung nicht verschließen, wehrte sich aber vor allem durch Autorität und Vermittlung wie Duldung orthodoxer Lektüre und Bildungsinhalte sowie durch die ständige erzieherische Aufsicht der Studenten. Diese Situation führte zur Aufsässigkeit, in der Schleiermacher einen Club initiierte, der sich gegen Orthodoxie wandte und dem neben A. auch Johann Jacob Beyer und der Engländer Samuel Okley angehörten. Sie lasen nicht geduldete Lektüre, führten philosophische Streitgespräche und erlangten deshalb Meinungen, die ihre Situation im Seminar noch unerträglicher werden lassen mußten. Darum verließen 1787 zunächst Okley und Beyer, dann Schleiermacher das Seminar. A. dagegen blieb, führte die Gepflogenheiten des Clubs fort und beendete sein Studium 1788. Sein innerer Kampf zwischen Glaube und Rationalismus dauerte noch etwa zwei Jahre an, wobei er sich letztlich durch ein eingehendes Bibel- und Theologiestudium für den Christen und Bruder entschied. A.s Einsicht, daß Religion ein Gegenstand von Gefühl und Glauben, nicht von Verstand und Wissen sei, daß Liebe der Quell der Seeligkeit und christliche Liebe Kern des Christentums ist, charakterisierte seine Laufbahn: 1788 Lehrer im Pädagogium in Niesky und Barby, 1796 Diakon und Lehrer im Seminar Niesky, 1814 Prediger in Gnadenfrei und Ordination zum Bischof, 1821 Mitglied und 1824 Präsident der Unitäts-Ältesten-Konferenz in Berthelsdorf. A.s Lieder sind Zeugen der Einsicht, die ihn an die Seite Novalis’ stellten und zu einem der berühmtesten Liederdichter seiner Zeit machten. Sein Streben nach Rationalem verwirklichte er in einer klassischen Herrnhuter Disziplin: der Botanik. Der Frage nach den Ursachen seines Widerstreites hat er sich öffentlich nicht gestellt.

Werke: Dreißig Predigten. Für Mitglieder und Freunde der Brüdergemeine, 1805, 21825, 31829; Geistliche Lieder. Für Mitglieder und Freunde der Brüdergemeine, 1821, 21835; 36 Reden an die Gemeine in Herrnhut in den Jahren 1818–1824 gehalten, 1832; 36 Reden an die Gemeine in Herrnhut in den Jahren 1825–1831 gehalten, 1833.

Literatur: ADB 1, 216f.; NDB 1, 142f.; BBKL 1, 86; Paul Lorenz, J. B. v.A., 1894; Kurt Nowak, Schleiermacher und die Frühromantik, 1986; Wilhelm Dilthey, Das Leben Schleiermachers 1. Halbbd. 1768–1802, (Gesammelte Schriften, Bd. 13) 31991.

Andreas Radespiel

letzte Änderung: 08.01.04