Bonatz, Paul, Prof. Dr.-Ing. E.h.
geb. 06.12.1877 Solgne bei Metz (Frankreich),
gest. 20.12.1956 Stuttgart,
Architekt.

Nach zwei Semestern Maschinenbau studierte B. 1897–1900 Architektur an der Technischen Hochschule München bei Karl Hocheder und Friedrich Thiersch. 1900–01 war er Mitarbeiter von Theodor Fischer im Stadtbauamt München und 1902–06 dessen Assistent an der Technischen Hochschule Stuttgart, an der er 1908–43 als Nachfolger Fischers tätig war. 1935–41 wirkte er als Vertrauensarchitekt und Berater des Generalinspekteurs für den deutschen Straßenbau und war 1939–43 mit großen öffentlichen Planungsaufträgen betraut. Nach Übersiedlung 1944 in die Türkei lehrte B. ab 1946 als Professor an der Technischen Hochschule Istanbul und kehrte erst 1954 auf Dauer nach Deutschland zurück. Beeinflußt durch Fischers einfühlsame Entwürfe, fand B. in Auseinandersetzung mit der französischen Baukunst des 18. Jahrhunderts wie der historisch ägyptischen Baukunst zu einer eigenen sachlichen Architektursprache und gilt durch seine funktionalen Innovationen und seinen nachdrücklich vertretenen Bezug der Einzelarchitektur zum städtebaulichen Kontext als Wegbereiter des modernen Bauen. Der einflußreiche Lehrer (Haupt der sogenannten Stuttgarter Schule) und Nestor einer modernen türkischen Architektur schuf großzügige öffentliche Baukörper unter Betonung von Materialcharakter und Monumentalität. Beispiele in Sachsen-Anhalt sind die 1927/28 nach seinen Plänen errichtete Heilanstalt in Haldensleben mit Kulturhaus und Wasserturm sowie das Schloß Neumühle in der Altmark 1938/42.

Werke: Hauptbahnhof Stuttgart, 1914–28; Brücken der Reichsautobahn, u. a. Rheinbrücke in Köln-Rodenkirchen, 1938; Neckar-Staustufen; Atatürk-Mausoleum, Ankara, 1942; Stadtplanung Antalya, 1955. – Schriften: Leben und Bauen. Lebenserinnerungen, 1950.

Nachlaß: Technische Universität Stuttgart, Institut für Bau-Geschichte; Famile B., Stuttgart.

Literatur: Saur AKL 12, 475; Thieme/Becker 4, 274f.; Vollmer 1, 1953, 260 und 5, 1961, 323; Friedrich Tamms, P. B. Arbeiten aus den Jahren 1907–1937, 1937; Joachim Petsch, Baukunst und Stadtplanung im Dritten Reich, 1976; Norbert Bongartz, P. B., 1877–1956, 1977 (W); Ulrike Stark, Architekten – P. B., 1995.

Bildquelle: Karl Ritter von Klimesch (Hg.), Köpfe der Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft, 1953.

Günter Reso