Blumenfeld, Emanuel
geb. 01.11.1811 Bremecke bei Göttingen,
gest. 25.05.1885 Tilsit,
Artist, Zirkusdirektor.

B. entstammte einer jüdischen Künstler- und Artistenfamilie, über die bereits im 17. Jahrhundert als reisende Künstler in Stadtchroniken berichtet wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts trafen die Künstlertruppen Cerf und B. aufeinander und vereinigten beide Unternehmen. Mit Moritz B. und seiner Frau, einer geb. Cerf, begann die Geschichte der jüdischen Zirkusdynastie. Das Unternehmen bot ein abwechslungsreiches Programm, das 1811 mit der Anschaffung von Pferden komplettiert wurde. Von nun an bereiste man Deutschland unter dem Namen Circus Blumenfeld, dessen Markenzeichen Pferdedressuren der Spitzenklasse (Hohe Schule) waren. Der 1811 geb. B. wurde 1834 von seinem Vater als Nachfolger bestimmt, während die anderen Geschwister eigene Unternehmen gründeten. B. setzte in der technischen Ausrüstung und in der Programmgestaltung neue Maßstäbe für die künftige Entwicklung des Zirkuswesens in Deutschland Neben den bisher in den Programmen weitgehend vorherrschenden Darbietungen der Akrobatik und der Tierdressur legte B. großen Wert auf hochqualifizierte Reitdarbietungen (“Schulreiten”). Der Name des Circus Blumenfeld stand von nun an für erlesenes Pferdematerial und hochkarätige Reitkunst. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 1854 Jeanette Stein, die Tochter eines Zirkusunternehmers, die das elterlichen Unternehmen mit in die Ehe brachte. Durch diesen Zusammenschluß entstand eines der größten deutschen Zirkusunternehmen dieser Zeit. Das wirtschaftlich solide und erfolgreiche Unternehmen zerfiel durch die Wirren der Kriege von 1866 und 1870/71, da B. und viele seiner Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen waren. 1871 wurde ein Neuanfang notwendig, den B. zunächst gemeinsam mit der ebenfalls traditionsreichen Zirkusfamilie Straßburger wagte. Schon bald trennten sich beide Familien wieder und führten eigenständige Unternehmen weiter. Der Circus Blumenfeld konnte seine ursprüngliche Größe und Bedeutung vorerst nicht erreichen. 1874 erwarb B. ein ehemaliges Kasernengelände in Guhrau/Schlesien. Hier plante er, ein neues modernes Standquartier zu schaffen, starb jedoch kurz vor dessen Vollendung. Seine Witwe übernahm gemeinsam mit ihren Söhnen die Leitung des Zirkus, der jetzt als Circus Emanuel Blumenfeld Witwe firmierte, und nutzte das Gelände in Guhrau als Winter-Quartier. 1896 gastierte der Zirkus mit 28 Wagen und vier Zelten in Magdeburg. Dort fand der Circus Emanuel Blumenfeld Witwe das geeignete Areal für einen neuen Stammsitz in der Königstraße 62/63 (heute Walther-Rathenau-Straße). Das Zirkusunternehmen bewirtschaftete mit großem Erfolg den ersten festen und größten Zirkusbau Deutschlands, errichtet von einer Magdeburger Circus-Varieté Actiengesellschaft, mit einer großen Arena, 2.890 Sitzplätzen, Stallungen, einem Kino, Gaststätten und Geschäften. Die Söhne B.s konnten ein florierendes Unternehmen übernehmen, das über einen großen Tierbestand (allein 80 Pferde) verfügte. B.s Enkeln Alfred, Alex, Alfons und Arthur gelang es insbesondere nach dem I. Weltkrieg, das Unternehmen zu neuem Glanz zu führen. Bis 1920 gab es zahlreiche umjubelte Premieren in Magdeburg, 1922 startete der Zirkus zu einer ersten Auslandstournee. Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit führten zum Besucherschwund, der letztlich 1928 den Konkurs des Unternehmens bewirkte. Das Zirkusgebäude wurde vermietet; es fanden u. a. zahlreiche Zirkus-Gastspiele und verstärkt Ringkampfveranstaltungen (diese bereits ab 1922) statt. Im Herbst 1944 wurde der Stammsitz bei einem Tagesangriff westalliierter Bomber beschädigt und brannte am 16.01.1945 bei einem Nachtangriff auf Magdeburg endgültig aus. Bis auf wenige emigrierte Mitglieder der Familie fiel die jüdische Zirkusdynastie B. dem Rassenwahn Hitlers zum Opfer.

Literatur: Kulturhistorische Gesellschaft für Circus- und Varietekunst e.V. Marburg, 1991; Unterlagen Gabriele Blumenfeld, Magdeburg (privat).

Bildquelle: ebd.

Gabriele Blumenfeld

letzte Änderung: 01.02.2005